Sobald das Jahr sich dem Ende neigt und die besinnliche Zeit beginnt, bekommt auch die Musik eine besondere klangliche Note. Dabei sind die Grenzen zwischen belebendem, kultigem, ennervierendem und belanglosem Kitsch fließend. Nach rein künstlerischen Maßstäben lassen sich die jährlichen Neuerscheinungen zum Fest nicht wirklich bewerten. Daher folgt an dieser Stelle die liebgewordene concerti-Tradition des Streifzugs durch die aktuellen Advents- und Weihnachtsalben.
Winter Journeys
Hanna Herfurtner (Sopran), David Erler (Alto), Stephan Scherpe (Tenor), Jakob Ahles (Bass), Lautten Compagney Berlin, Wolfgang Katschner (Leitung)
deutsche harmonia mundi
Sicherlich nichts falsch macht man mit den Winter Journeys der Lautten Compagney Berlin: geschmackvoll arrangierte Klangreisen in die deutschsprachige Instrumental- und Vokalmusik des 16. Jahrhunderts hört man da. Garantiert frei von klischeeverdächtigen Weihnachtshits, dafür mit viel Blechbläsermusik und – der Name lässt es vermuten – auch noch nach Weihnachten für die kalte Jahreszeit geeignet.
A Choral Christmas
Voces8, Barnaby Smith (Leitung)
Decca
Wer einen moderneren Klang jenseits der Renaissance bevorzugt, wird beim britischen A cappella-Ensemble Voces8 fündig. In A Choral Christmas werden Klassiker der englischen Chorliteratur mit hollywoodreifen satten Orchesterklängen kombiniert. Ergänzend kommen Originalkompositionen des „Hauskomponisten“ Taylor Scott Davis hinzu.
Rimski-Korsakow: Christmas Eve
Georgy Vasiliev (Vakula), Julia Muzychenko (Oksana), Enkelejda Shkoza (Solokha), Alexey Tikhomirov (Chub), Andrei Popov (Devil), Chor der Oper Frankfurt, Frankfurter Opern- und Museumsorchester, Sebastian Weigle (Leitung)
Naxos
Sowohl für Freunde des Musiktheaters als auch Enthusiasten alternativer Weihnachtsbräuche gibt es eine besondere Möglichkeit, in Stimmung zu kommen: Die Oper Frankfurt zeichnete unlängst Nikolai Rimski-Korsakows Die Nacht vor Weihnachten auf, die nun als CD oder DVD greifbar ist. Komponiert nach einer Erzählung von Gogol, verbreitet Rimski-Korsakow russisch-dörfliche Behaglichkeit in einer Weihnachtsgeschichte, in der der Teufel gemeinsam mit einigen Hexen den Mond und die Sterne stiehlt, um die glückliche Vereinigung eines Paares durch die Vernichtung der romantischen Atmosphäre zu verhindern.
Christmas Wish
Gregory Porter
Blue Note
Auch jenseits des klassischen Spektrums wird viel geboten. Gregory Porter vereint auf seinem Album Christmas Wish Weihnachtshits von „Little Drummer Boy“ bis „Silent Night“ mit modernen Jazzklängen und versprüht mit cremigem Timbre legeres Traditional-Ambiente.
Capriccio pastorale
Margaret Hunter & Erika Tandiono (Sopran), Florian Cramer (Tenor), Capella de la Torre, Katharina Bäuml (Leitung)
deutsche harmonia mundi
Eine italienische Version musikalischer Feststimmung bietet das Album Capriccio pastorale der Capella de la Torre unter Leitung von Katharina Bäuml mit Renaissance- und traditioneller Musik.
Christmas from Norway
Lise Davidsen (Sopran)
Decca
Und wie klingt die stille Zeit in Norwegen? Auf Christmas from Norway singt Lise Davidsen Stücke aus ihrer skandinavischen Heimat. Zarte Orchesterklänge geben der gefragten Solistin dabei viel Raum.
Merry Christmas – Pianomania
Jeroen van Veen (Piano)
Brilliant Classics
Wem die gewohnt eher klanglich voluminösen Bläser- und Chorensembles zu altmodisch erscheinen, für den ist das Album Merry Christmas – Pianomania die richtige Wahl. Hauspianist des Labels, Jeroen van Veen, spielt Klavierarrangements der bekannten, aber auch weniger bekannten Weihnachtsklassiker, sowohl traditionelle Stücke wie „God Rest Ye Merry, Gentlemen“ und „Stille Nacht“ als auch modernere Vorlagen wie „We Wish You a Merry Christmas“ oder „Let It Snow“. Das Ergebnis ist dabei keinesfalls langweilig: Van Veen erhebt das musikalische Grundmaterial zu beinahe virtuosen Balladen.
Christmas Oratorio
Sarah Connolly (Mezzo-Sopran), Nick Pritchard (Tenor), Neal Davies (Bass), Chor des Merton College Oxford, Oxford Contemporary Sinfonia, Benjamin Nicholas (Leitung)
Delphian
Dass der Weihnachtszauber nicht nur in der Musik älteren Datums zu finden ist, beweist Bob Chilcott, dessen Christmas Oratorio erstmals eingespielt wurde. Der britische Komponist vereint Arien beziehungsweise Lieder für Stimme mit A cappella-Ensemblemusik und Orgel. Das schlichte Musikgewand überzeugt dabei mit angenehmer Harmonik und eingänglichen Melodien.
Winterreise
Esther Valentin (Sopran), Orchester im Treppenhaus
Auf den gängigen Streaming-Plattformen verfügbar.
Wie schon das erste Album ist auch das letzte, Winterreise, mehr ein jahreszeitliches als ein weihnachtliches Klangerlebnis. Das aus Hannover stammende Orchester im Treppenhaus spielt Franz Schuberts berühmten Liedzyklus ein. Doch wer eine klassische Besetzung erwartet, wird von einer ungewöhnlichen und mitreißenden Interpretation überrascht, denn die Instrumentalisten des Ensembles spielen neben Violine und Kontrabass auch Akkordeon, Xylofon, E-Gitarre und weitere Instrumente, die zusammen mit Mezzosopranistin Esther Valentin eine teils frostige, aber immer winterlich-schöne Stimmung erzeugen.