Es ist nicht ganz einfach zu beschreiben, warum ich dieses Stück so liebe. Als erstes muss ich sagen, dass ich als Teenager bereits sehr viel Schubert gehört habe und damals schon große Lust hatte, seine Lieder zu singen. „Du bist die Ruh“ war für mich immer besonders. In diesem Lied hält Schubert praktisch die Zeit an. Es ist, als würde alles stehenbleiben, als würde eine Stunde in ein paar Takte verpackt werden. Das beginnt schon mit den Einleitungstakten im Klavier, fast so, als würde man abrupt in eine musikalische Landschaft entführt werden.
Philippe Jaroussky: „Die deutsche Sprache birgt Gefahren“
Schubert hatte das Talent, mit nur ein paar Noten eine ganze Welt zu erschaffen. Kurioserweise ist es ja so, dass ich viele virtuose Stücke singe, aber dieses Schubert-Lied für mich eines der schwersten überhaupt ist. Das Mühsamste für einen Sänger an diesem Lied ist nämlich, dass es wunderschöne lange Phrasen enthält, die allesamt nach oben gehen. Man braucht eine äußerst solide Atemtechnik, um das überhaupt zu meistern. Wichtig ist zudem die Balance, den Gesang zwar so simpel wie möglich zu gestalten, die Artikulation des Textes jedoch nicht zu vernachlässigen. Wenn man es übertreibt, wirkt es wie unter Druck; wenn man zu nachlässig ist, wirkt es kalt, der Text verliert fast seine Bedeutung. Dabei schätze ich die deutsche Sprache nicht einmal als die schwierigste für Lied-Gesang ein. Allerdings birgt sie viele Gefahren zur Übertreibung. Als Sänger braucht es da wirklich Zeit, um diese ganz spezielle Schubert-Welt genau zu verstehen.