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Interview Alexey Stadler

„Wenn ich etwas mache, dann richtig“

Warum der Cellist Alexey Stadler, Gewinner des TONALi Grand Prix, gerne mal mit Leonidas Kavakos spielen würde – und das vielleicht sogar irgendwann tun wird

vonFriederike Holm,

Eines steht fest: Unglaublich hoch war das musikalische und technische Niveau von allen drei Finalisten beim diesjährigen TONALi Grand Prix. Gewonnen hat ihn Alexey Stadler. Der 21-Jährige aus St. Petersburg studiert seit zwei Jahren in Weimar bei Wolfgang Emanuel Schmidt – und spricht sehr gut deutsch. Ende August war er in Hamburg neben zehn weiteren jungen Cellisten angetreten und hatte sich in drei Vorrunden für das große Finale in der Laeiszhalle qualifiziert.

Herzlichen Glückwunsch zu diesem Erfolg, Alexey! Abgesehen von der Ergebnisbekanntgabe: Was war der schönste Moment für Sie im Verlauf dieses Wettbewerbs?

Die ganze Woche war besonders. Was diesen Wettbewerb ausmacht: Wir hatten drei Tage lang die Möglichkeit zu spielen und so ganz verschiedene Seiten von unserem Können zu zeigen. Wir haben solo gespielt, unsere Auftritte moderiert, Kammermusik gemacht und schließlich mit Orchester musiziert. Normalerweise hat man bei einem Wettbewerb zunächst nur wenige Minuten, da spielen so viele Leute an einem Tag, das ist doch fast wie Lotterie! In so kurzer Zeit kann man kaum zeigen, was man kann und die Jury überzeugen. Hier konnten wir uns drei Tage lang präsentieren und dazu das Repertoire frei auswählen, das uns gerade besonders liegt, und so unsere stärksten Seiten zeigen. Das Finale war natürlich der Höhepunkt, die volle Laeiszhalle, diese Energie, ein wunderbares Orchester, das war unglaublich. Auch dass es in so einem tollen Saal stattgefunden hat, das macht einen riesigen Unterschied. Ein schlechter Saal ist für einen Musiker wie für einen Läufer eine Laufbahn voller Steine, die Akustik muss gut sein! Und was diesen Wettbewerb besonders macht: die TONALi-Leiter Amadeus Templeton und Boris Matchin. Sie haben eine sehr gute Atmosphäre geschaffen. Sie sind selbst Cellisten und wissen, was man bei einem Wettbewerb braucht.

Eine Besonderheit des Wettbewerbs ist außerdem, dass Sie in der 2. Vorrunde auch selbst Ihre Stücke anmoderieren mussten.

Das fand ich sehr spannend und es war eine wichtige Erfahrung für mich – auch festzustellen, dass ich mit der deutschen Sprache zurechtkomme. Ich denke, dass es auch für die Karriere ganz wichtig ist – ein Musiker muss so etwas können! Man muss über das, was man spielt, etwas erzählen können. Ich habe über Schnittke und seine erste Sonate gesprochen, dieses Thema stand mir nah. Ich hatte Angst, dass es für die Schülerjury langweilig sein könnte und ich ihre Aufmerksamkeit verliere. Aber ich konnte in ihren Augen sehen, wie mir alle gebannt zugehört haben, das war eine tolle Bestätigung.

Schauen wir mal auf Ihre Anfänge mit dem Cello – wie kamen Sie zum Instrument?

Wie wohl bei den meisten Kindern war das nicht meine Wahl, ich war ja erst vier. Mein Vater brachte ein Cello mit und sagte, „Spiel!“ Ich hatte einen tollen Lehrer, Prof. Alexey Lazko in St. Petersburg. Er war immer sehr streng mit mir. Von Anfang an hat er mir klar gemacht: Entweder bist Du ein süßes Kind oder ein echter Musiker. Heute weiß ich, dass er Recht hat. Er hat den Grundstein für die professionelle Beziehung zu meinem Instrument gelegt. Das war kein Spaß oder etwas Nebensächliches zur Schule, es war immer die Hauptsache in meinem Leben. Auch wenn ich nicht immer Lust zum Üben hatte… Ich habe in der Schule einmal einen Tiger im Theaterstück gespielt und musste noch am selben Tag bei einem Klassenabend von meinem Lehrer Cello spielen. Ich hatte noch die Schminke im Gesicht, als ich dort hin kam und mein Lehrer war sehr böse mit mir: „Wenn Du ein Konzert hast, musst Du Dich darauf konzentrieren, dann kannst Du nicht noch irgendetwas anderes machen.“ Das hat mich sehr geprägt.

Was haben Ihre Mitschüler dazu gesagt, dass Sie immer nur Cello geübt haben?

Da ich nicht in einer Schule mit Musikschwerpunkt war, hatten meine Mitschüler leider nicht so Interesse an dem, was ich mache, die fanden das komisch. Das war schon schade. Ich hatte zwar auch gute Freunde in der Schule, aber heute habe ich leider kaum noch Kontakt zu ihnen. Andererseits bin ich froh, dass ich auf einer normalen Schule war, sonst bleibt der Horizont sehr beschränkt. Auf einer Spezialschule ist das Niveau für die anderen Fächer sehr niedrig und alle denken nur ans Üben. Aber jetzt auf der Musikhochschule fühle ich mich wohler, das ist ein anderes Umfeld. Auch wenn ich überhaupt nicht sage, dass meine Freunde alle Musiker sein müssen.

War es die Erwartung Ihrer Eltern, dass Sie Cello studieren?

Es gab Momente, wo ich nicht mehr spielen wollte, wo ich keine Lust zum Üben hatte. Meine Eltern waren sehr geschickt, sie sagten: Du machst den Abschluss auf der Musikschule und dann entscheidest Du selbst, wie es weiter geht. Und zum Zeitpunkt des Abschlusses war mir dann klar: Cello ist meine Sache, das will ich machen.

Und diese Momente des Zweifels, wie haben Sie die überwunden?

Es waren letztlich immer wieder die Erfolgserlebnisse, die mich motiviert haben. Auch Meisterkurse haben mich sehr beeinflusst, mir neue Horizonte geöffnet. Meinen ersten Meisterkurs habe ich mit 15 bei Professor Frans Helmerson gemacht. Das war auch hart, weil er mir meine ganzen technischen Defizite aufgezeigt hat, aber eben auch, in welche Richtung ich weiterarbeiten kann.

Und wie kam es dann zu der Entscheidung, dass das Cello zum Beruf werden soll?

Ich habe ja immer irgendwie gemerkt, dass es mit dem Cello ganz gut läuft, dass es mir liegt. Aber meine eigentliche Liebe zur Musik kam nicht durchs Cello. Die kam durch Konzerte! Wenn ich etwas mache, dann richtig. Also bin ich nicht in einmal die Woche ins Konzert gegangen, sondern fast jeden Tag. Meine musikalische Ausbildung habe ich eigentlich im Mariinsky-Theater bekommen, mit den Konzerten von Valery Gergiev bin ich aufgewachsen.

Frans Helmerson, Valery Gergiev – das sind große Namen für einen jungen Musiker. Gibt es noch andere Vorbilder?

Mein Lehrer, Wolfgang Emanuel Schmidt, ist ein großes Vorbild für mich, wir haben eine sehr freundschaftliche Beziehung. Was mir wichtig ist: Er gibt mir nicht nur eine Interpretation vor, wir arbeiten wie Kollegen gemeinsam daran oder er versucht mich von seiner Sicht zu überzeugen. Da kommt nie einfach nur: So muss es sein und nicht anders. Andererseits: Ein bisschen davon ist auch gut, man muss eine klare Meinung haben. Wenn ein Lehrer nur rumeiert – das bringt nichts. Bei David Geringas erging es mir auch so, der war in der ersten Stunde überhaupt nicht glücklich mit meinem Spiel, hat mir alle meine Probleme aufgezeigt. Aber ich bin ihm dankbar, denn das hat mich weitergebracht. David Geringas ist für mich wie ein Fixstern, der mir Orientierung gibt. Von ihm habe ich gelernt, wie ich mich einem Stück annähern kann, wie ich es lese, lerne, analysiere und verstehe, wie ich eine Interpretation entwickele.

Zu David Geringas‘ ehemaligen Schülern gehören ja viele berühmte Cellisten, auch viele junge, sehr erfolgreiche wie Johannes Moser oder Sol Gabetta. Die Konkurrenz ist riesig – macht Ihnen das Angst?

Nein, Angst macht mir das nicht. Jeder Cellist ist anders, jedem liegt ein anderes Repertoire. Man muss seinen eigenen Platz, seine eigene Stärke finden, um sich von anderen abzuheben. Nicht jeder gute Cellist spielt dieselben Werke gleich überzeugend. Und es ist immer spannend, sich zwischen starken Leuten behaupten zu müssen.

Wenn Sie morgen eine Agentin anrufen würde und hätte ein „Joker“-Engagement – mit wem und was würden Sie am liebsten spielen?

Gute Frage – das könnte so vieles sein… Ein Traum für mich als St. Petersburger erfüllt sich schon nächste Saison, wenn ich mit Gergiev im Mariinsky-Theater spiele. …ein Joker… sehr schwer zu sagen. Es gibt so viele Musiker, mit denen ich gerne spielen würde! …Das erste, was mir in den Kopf kommt: Ich würde gerne Brahms-Trios mit Leonidas Kavakos und Nicholas Angelich spielen… Das wäre ein toller Joker!

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