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Blickwinkel: Christian Höppner

„Ich habe eine eher düstere Perspektive für die kommenden Jahre“

Christian Höppner über Künstlerhilfen der Politik, die Zukunft des Musikbetriebs und Rassismus in der Branche.

vonSusanne Bánhidai,

Christian Höppner, Generalsekretär des Deutschen Musikrates, Professor an der Berliner Universität der Künste, Dirigent und Cellist, beschäftigen viele gesellschaftspolitische Themen. Noch immer stehen die Auswirkungen der Pandemie für das Kulturleben an erster Stelle.

Es gab viele Themen, zu denen sich der Deutsche Musikrat (DMR) geäußert hat: Corona, das Singverbot an Schulen, die Ausbildung von Lehramtsstudierenden für das Fach Musik etc. Welches davon hat Sie persönlich am meisten bewegt?

Christian Höppner: Das ist schon Corona, weil durch diese Situation wie unter einem Brennglas sichtbar wurde, was wir in Deutschland in Bezug auf das Kulturleben seit Jahren und Jahrzehnten an Defiziten haben und nicht oder nicht konsequent genug korrigiert haben. Die Probleme haben sich verschärft.

Hat die Politik mit den Künstlerhilfen und dem Konjunktur-Paket die richtigen Schwerpunkte gesetzt?

Höppner: Auf jeden Fall. Die Bundespolitik hat früh und sehr umfänglich sowohl mit der Erweiterung des Sozialschutzpaketes als auch mit dem Programm „Neustart“ der Kulturstaatsministerin gehandelt. Dennoch sind natürlich Baustellen offen. An erster Stelle steht die Situation der Solo-Selbstständigen, die um ihre Existenz ringen. Da ist es trotz aller Bemühungen bei der Ausdifferenzierung der Stipendienprogramme noch nicht gelungen, diese Menschen richtig abzusichern. Sie sind nicht arbeitslos und müssen nicht umgeschult werden. Ihre Branche hat eine Perspektive, nur leiden sie unter dem temporären Beschäftigungsverbot. Die kulturelle Vielfalt ist dramatisch bedroht, wenn wir es nicht jetzt schaffen, diese Künstlerinnen und Künstler durch die Krise zu navigieren.

Was erwartet uns im Musikbetrieb in den nächsten Monaten, vielleicht auch Jahren?

Höppner: Das Positive ist, dass sich neue künstlerische Vermittlungsformen auftun, vor allem die Entdeckung des digitalen Raums. Damit meine ich nicht das Streaming aus Mangel an Alternativen. Wir haben jetzt die Chance, diesen Raum als künstlerischen Ort zu verstehen, ihn neu zu denken und ernst zu nehmen. Insgesamt habe ich aber eine eher düstere Perspektive für die kommenden Jahre. Daher richtet sich die Forderung des DMR an die Länder, mehr Eigenverantwortung für ihre Kultur- und Bildungshaushalte zu übernehmen. Sie sollten sich verpflichten, diese Haushalte bis 2023 mindestens auf der Ausgabenhöhe des diesjährigen Haushaltes fortzuführen. Wir haben 2021 ein Superwahljahr, danach sehe ich die Gefahr, dass die Haushalte in Bund, Ländern und Kommunen von überproportionalen Kürzungen betroffen sind.

In der Kultur- und Bildungspolitik kritisieren Sie die Eingangserleichterungen für das Musiklehramt, um den Bedarf an Schulen kurzfristig zu kompensieren. Ihr Lösungsansatz ist der lange, aber lohnende Weg. Gibt es da keine Abkürzung?

Höppner: Auf die Schnelle ist das Problem nicht zu lösen, davon bin ich fest überzeugt. Man kann es nur lindern. Unsere Forderung ist auch kein Seitenhieb gegen Quereinsteiger, da gibt es viele positive Beispiele. Aber es kann nicht sein, dass so ein komplexes Feld wie die Musik in eine Spirale der Deprofessionalisierung gerät. Die ganze musikalische Bandbreite soll ja vermittelt werden. Die Schulmusik-Ausbildung an Hochschulen und Universitäten ist sehr teuer, weil sie differenziert und umfänglich ist. Man kann jetzt Übergangsregelungen schaffen. Aber das Thema „Quereinstieg“ wird von Finanzpolitikern der Länder gerne benutzt, um zu sagen: Es geht doch, dann können wir uns die lange Ausbildung ja sparen. Für die Qualität des Musikunterrichts an Schulen wäre das desaströs.

Ein weiteres großes Thema der letzten Wochen war der Rassismus in den USA, aber auch in Deutschland. Wie wird der DMR hier aktiv?

Höppner: Wir haben fast hundert Dachverbände im DMR und sind sehr breit aufgestellt, was die Themen angeht, die uns als Bürgerinnen und Bürger dieses Landes bewegen. Rassismus, Antisemitismus, Homophobie, Gewaltverherrlichung sowie die Frage, wie wir mit der Natur umgehen. Ich bin froh, dass wir uns auch zu diesen gesellschaftspolitischen Themen in unserer letzten Mitgliederversammlung mit dem 5. Berliner Appell klar positioniert haben. Das ist unsere Arbeitsgrundlage und bestimmt unser tägliches Tun, hier ganz wachsam zu sein und Missstände zu benennen.

Sie erwähnen die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes. Was kann jeder einzelne jetzt tun, um das Musikleben hier wieder erstarken zu lassen?

Höppner: Einfach aktiv werden und mit seinen Wahlkreis-Abgeordneten ins Gespräch kommen! Es ist ein vollkommen unterschätztes Mittel, mit denen, die man gewählt hat, in Kontakt zu bleiben und diese Menschen auch zu fordern. Das hat eine enorme Wirkung auf die Politiker, aber es passiert noch zu wenig!

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