Rechtzeitig zum heutigen Equal Pay Day hat das Deutsche Musikinformationszentrum eine Studie zur Verteilung von Männern und Frauen in Berufsorchestern herausgebracht. Es zeigt sich: Vieles hat sich verändert, beispielsweise sind immer mehr Frauen in Orchestern vertreten. In einigen Bereichen ist man von einer Parität der Geschlechter noch weit entfernt. Vor allem in Spitzenorchestern, einigen Instrumentengruppen sowie in Führungspositionen ist der Männeranteil noch immer deutlich höher. So entsteht zumindest ein struktureller Pay Gap – auch bei einheitlichen Tarifverträgen. Wie nehmen Musikerinnen die aktuelle Lage in den Orchestern wahr? concerti hat bei Kathrin Rabus nachgefragt. Sie ist seit 1988 erste Konzertmeisterin bei der NDR Radiophilharmonie.
Frau Rabus, Sie spielen in einem öffentlich-rechtlichen Orchester und werden damit nach Tarif bezahlt. Verdienen Sie so viel wie Ihre männlichen Kollegen?
Kathrin Rabus: Absolut! Ich kenne auch kein Orchester, bei dem das anders geregelt ist. Frauen und Männer werden gleich bezahlt und behandelt. Ich habe auch von keiner anderen Musikerin gehört, dass sie weniger verdient, nur weil sie eine Frau ist. Auch nicht bei Solistinnen. Das trifft auf unseren Bereich nicht zu.
Wo liegen denn dann die Probleme?
Rabus: Für mich war mit vierzehn Jahren klar, dass ich professionelle Geigerin werden möchte. Ich habe die Musik geliebt, war fleißig und begabt. Irgendwann wollte ich gerne eine feste Stelle haben und habe gleich bei meinem zweiten Probespiel den Posten der ersten Konzertmeisterin in Aachen bekommen. Weder damals noch heute bei der NDR Radiophilharmonie hatte ich das Gefühl, ich müsse sicherer und selbstbewusster auftreten, nur weil ich eine Frau bin. Ganz im Gegenteil: Ich habe mich immer sehr willkommen gefühlt. Und das, obwohl ich in einer Führungsposition spiele. Ich selbst war aber auch ganz unbekümmert und hatte keinerlei Vorurteile, und ich denke, dass das der richtige Weg ist. Wir Musiker müssen einfach immer unser Bestes geben, um so gut wie möglich zu sein.
Aber warum sind denn trotzdem mehr Männer in Spitzenorchestern respektive Führungspositionen?
Rabus: Ich glaube nicht, dass es heutzutage noch an der Tatsache liegt, dass sie Männer sind. Nicht in unserem Bereich. Die Bewerber für eine Orchesterstelle müssen einfach wirklich gut sein und überzeugen. Sie müssen klanglich und musikalisch in den ganzen Apparat reinpassen, das ist ganz wichtig. Wenn ich beispielsweise an die Berliner Philharmoniker denke: Das sind alles Spitzenmusiker, sowohl Männer als auch Frauen. Wenn jemand wirklich gut ist, wird er die Stelle bekommen.
Was kann man tun, damit es mehr Frauen in Spitzenorchestern gibt? Halten Sie eine Frauenquote für sinnvoll?
Rabus: Ich würde erst einmal sagen, dass Frauen in Orchestern nicht unterrepräsentiert sind – auch nicht in den größeren. Ganz im Gegenteil: Es werden immer mehr Frauen und vielleicht haben wir in zwanzig Jahren das Problem, dass Männer unterrepräsentiert sind (lacht). Auch eine Verteilung auf die verschiedenen Instrumentengruppen nimmt zu. In unserem Orchester gibt es beispielsweise eine Schlagzeugerin und eine Kontrabassistin. Bei den Bratschern hingegen sitzen nur noch zwei Männer. Deswegen denke ich, dass eine Frauenquote die völlig falsche Herangehensweise ist, egal für welchen Beruf. Musiker sollten nur nach ihrer Leistung bewertet werden. Als ich 1988 als erste Konzertmeisterin zur NDR Radiophilharmonie gekommen bin, habe ich mein Gehalt mit meinen männlichen Kollegen verglichen und festgestellt, dass wir gleich viel verdienen. Damals schon.
Woher kommt denn die Diskussion, was denken Sie?
Rabus: Die Studie, die vom Deutschen Musikrat erhoben wurde, finde ich toll und interessant. Sie zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Warum es in der Öffentlichkeit noch diese Diskussion gibt, weiß ich nicht, vielleicht gibt es immer noch viele Vorurteile. In anderen Berufsbereichen bekomme ich schon mit, dass Frauen weniger verdienen, und das finde ich gar nicht in Ordnung. Aber die ganze Gesellschaft hat sich ja in den letzten Jahren stark verändert, so auch die Rolle der Frau. Der Prozess ist sicherlich noch nicht vollends abgeschlossen aber eine Quotenregelung halte ich nicht für den richtigen Ansatz, um das Problem zu lösen. Ehrlich gesagt wäre ich sehr unglücklich darüber gewesen, wenn ich meine Stelle nur aufgrund einer Quote bekommen hätte. Die Qualität der Orchester ist in den letzten Jahren so viel besser geworden, und dazu haben eindeutig Männer und Frauen beigetragen.
Aber ist der Orchesteralltag für Frauen nicht schwerer mit Familie kombinierbar als für Männer?
Rabus: Ich habe keine Kinder großgezogen und kann das daher nicht so gut beurteilen. Aber ich denke, das muss sehr gut in der Familie aufgeteilt und organisiert werden. Ich kenne viele Frauen, die das durchaus erfolgreich managen. Heutzutage gibt es bestimmt genügend Konstrukte, um Familie und Orchester gut miteinander zu vereinbaren. Beim NDR gibt es beispielsweise eine Kinderbetreuung für meine Kolleginnen und Kollegen.