Sie greifen nicht nur in die Saiten, sondern auch zum Stift. Wie kam das?
Pavel Hudec: Ich war stets kunstinteressiert und habe immer gerne gezeichnet. So kamen neben dem Musikstudium die ersten kleinen Aufträge für Illustrationen für Programmhefte von Kinderkonzerten. Mit Freunden habe ich auch „Comics“ realisiert, aber eher nach dem französischen Stil der „bande dessinée“, nicht die amerikanische Superhelden-Variante. Immer hatte ich dabei auch den Wunsch, dass sich die Bilder bewegen, um noch mehr Geschichten erzählen zu können. So kam ich zum Film. Mein Einstieg war vor etwa einem Jahr ein Film für Richard Strauss’ „Till Eulenspiegel“, der als Musikvermittlung für die ganze Familie gedacht war.
Dann ist das Sitkovetsky Trio auf Sie aufmerksam geworden…
Hudec: Ja, ein Freund hat mich empfohlen. Es ist natürlich toll, mit den Weltklasse-Musikern zusammenzuarbeiten. Wir haben trotz der Umstände durch Corona sehr oft sehr intensiv kommuniziert, obwohl ich persönlich noch niemanden kennen gelernt habe. Es ist zwar toll, dass das möglich ist, ich freue mich aber schon jetzt auf ein Treffen außerhalb des Internets. Das ist durch nichts zu ersetzen. Die drei sind so viel unterwegs, dass ich hoffe, bei einem der nächsten Konzerte dabei zu sein.
Was passiert in dem Film? Was sieht man?
Hudec: Die konkrete Aufgabe war, mit diesem Film die Hintergründe zu schildern, die 1914 zur Entstehung des Klaviertrios a-Moll von Maurice Ravel geführt haben. Das war nicht einfach, weil sehr wenig Privates über Ravel bekannt ist. Man weiß, dass er sich eigentlich für die Komposition sehr viel Zeit nehmen wollte. Dann hat er sich aber verpflichtet gefühlt, am Ersten Weltkrieg teilzunehmen und das Werk dann bis zu seinem Einzug an die Front in fünf Wochen fertig geschrieben. Man sieht also Ravel, wie er durch Paris geht, in seine Geburtsstadt Saint-Jean-de-Luz zurückkehrt, sich seiner patriotischen Pflicht bewusst wird und schließlich eine der Weltausstellungen besucht, die in Paris bis 1900 regelmäßig stattfanden. Man geht davon aus, dass Ravel bei der Weltausstellung viel Inspiration erfahren hat. Er selbst ist wenig gereist. Für die Menschen damals muss es unglaublich gewesen sein, mit fernöstlicher oder orientalischer Kultur in Berührung zu kommen, und das hat Ravel ja auch in seine Musik eingebunden.
Was war für Sie beim Zeichnen wichtig an der Musik? Wie sind Sie vorgegangen?
Hudec: Es war ein eher intuitiver Arbeitsprozess. Ich liebe es spontan zu sein und vertraue darauf, dass mir im richtigen Moment gute Sachen einfallen. Alles andere würde ich als unkreative Begrenzung empfinden. Die Aufgabe war ja sehr klar – und damit der Rahmen gesetzt. Wenn man zum ersten Mal diesen Satz hört, ist es vielleicht schwer, eine Struktur herauszuhören. Die Musik scheint zu schweben, alles geht ineinander über. Dann gab es im Satz einige Stellen, wo ich sofort dachte, das etwas Besonderes passiert. Mitten im Film kommt Ravel in den chinesischen Pavillon der Weltausstellung und ich finde, dass man das in der Musik hört. In der beschaulichen Szene, wo die Musik sich beruhigt, dachte ich sofort an seinen Geburtsort.
Der Film war als kleines Trostpflaster für ausgefallene Live-Konzerte gedacht und ist mehr als Werbung für die Aufnahme des Sitkovetsky-Trios. Inwiefern bereichert er die Töne?
Hudec: Die Musik funktioniert selbstverständlich auch ganz für sich ohne Beiwerk. Aber der Film kann in der heutigen Zeit, wo man so viele visuelle Impulse bekommt, dazu anregen, diese Musik anders oder überhaupt zu hören. Es ist gut, wenn man etwas an die Hand bekommt, was einen durch das Werk führt. Die Bilder bewirken, dass man sofort darüber nachdenkt, wie das Werk entstanden ist.
Wird man bald gar nicht mehr ohne medialen Zusatz in der Klassik-Branche auskommen?
Hudec: Nein, jeder freut sich, wenn es wieder Live-Konzerte gibt. Mediale künstlerische Auseinandersetzungen mit der Musik werden daneben aber mehr Raum bekommen und dürfen es auch. Ich bin bereit für die nächste Geschichte.
Sehen Sie hier den animierten Kurzfilm: