Seit dem Erfolg von „Kaminski on air“ mit Wagners „Ring des Nibelungen“ haben Sie immer wieder Kontakt mit der klassischen Musikszene gehabt. Ihr Zugang zu klassischen Komponisten wie Strawinsky ist aber vermutlich etwas unbefangener als der eines professionellen Musikers. Wie nähern Sie sich denen als Sprecher und Schauspieler?
Stefan Kaminski: Also „unbefangen“ ist wirklich richtig! Ich bin ja ein großer Freund von Musik, auch ein musischer Mensch. Ich habe mich aber nie theoretisch oder wissenschaftlich mit Musik auseinandergesetzt, auch beim Live-Hörspiel „Der Ring des Nibelungen“ nicht. Ich habe mich einfach dem Text und der Musik hingegeben und daraus meine Fassung gebaut. Eigentlich ein sehr emotionaler Zugang. Meine Lieblingsmusik ist weiterhin Heavy Metal – ein unglaublich vielfältiges Genre: von zarten Tönen bis zum Krach, von verfrickelten Dingen bis zu einfachem Rock‘n‘Roll mit Schlag auf die Vier. Aber auch bei anderer Musik: Wenn sie mich erreicht, dann immer durch einen emotionalen Zugang.
Wie kommt dieser Zugang bei Ihnen zustande?
Kaminski: Oft durch Persönlichkeiten – und zwar durch solche jenseits des Mainstreams. Das Gefühl zu haben, „digger“ zu sein und etwas auszugraben, das ist schon reizvoll. Ich habe da auch ein Faible für Künstler, die ihren eigenen Weg gehen, „Ja“ und auch laut und deutlich „Nein“ sagen können.
Das wäre ja bei Strawinsky, mit dem Sie in diesem Monat zweimal mit dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin in der Philharmonie auftreten, eindeutig der Fall…
Kaminski: Die Gratwanderung bei Strawinsky zwischen Tabu und Anarchie ist auf jeden Fall gegeben. Er steht ja nicht nur für den „Feuervogel“ und „Le sacre du printemps“ – sondern für sehr viel mehr. Das ist auch an dem ersten Strawinsky-Abend in der Philharmonie zu erleben. Mich begeistert an Strawinsky einfach sein Naturell. Seine Liebe zum Leben. Seine Beschäftigung mit den großen Themen, die mich auch beschäftigen: Liebe und Tod, Leben und Religion, Streit und Katastrophe. Stille und Neuanfang. Die großen archaischen Themen, die eben im Heavy Metal auch sehr prägend sind. Ich mag die große Geste, das Pathos, die gefüllte Stille. Ich habe mir so kleine YouTube-Videos angeschaut, alte Probenmitschnitte von Strawinsky. Wie er in seiner kreativen Unordnung arbeitet, wie er am verstimmten Klavier komponiert und so weiter. Frank Zappa ist mir da in den Sinn gekommen, übrigens auch ein Strawinsky-Fan. Und das hat mir den Zugang zu der doch teilweise recht schrägen Musik beschert.
In Strawinskys „Geschichte vom Soldaten“ werden Sie dann in einem weiteren Konzert der Sprecher sein…
Kaminski: Das habe ich schon früher mal gemacht mit dem Dirigenten Vladimir Jurowski. Für die Geschichte vom Soldaten, der vom Teufel verführt wird, habe ich Textvorlagen nach eigenen Bedürfnissen umgeschrieben und viele Passagen dialogisiert, um sie „hör-spielen“ zu können. Ich habe viel mit Figuren gearbeitet, und natürlich spielt der Teufel eine große Rolle. Aber er verwandelt sich und ist dann auch mal ein Manager oder ein Berater. Ein Typ, der mit dem Soldaten spielt. Und die garstige Note am Ende zeigt, wer er wirklich ist – und wer der Soldat wirklich ist. Eine einfache Wurst, wie wir alle.
Sie versuchen Figuren vor allem mit den Mitteln Ihrer wandlungsfähigen Stimme zu charakterisieren – das war in den Live-Hörspielen „King Kong“ oder „Der Ring des Nibelungen“ ebenso der Fall wie in den vielen Hörbuch-Produktionen, die Sie in den vergangenen Jahren gemacht haben.
Kaminski: Ehrlich gesagt. Die auditive Seite ist mir immer näher als die visuelle Seite bei der Darstellung. Das sagt ja mein Berufsweg. Ich begebe mich lieber mit den Verwandlungsmöglichkeiten meiner Stimme in Stoffe als vor der Kamera oder im Theater. Ich glaube, dass ich das am besten kann und dass ich da auch die größte Fantasie für die Übersetzung der Stoffe an den Tag lege, wenn ich mich stimmlich verwandle. Natürlich kann man da – wie noch im „Ring des Nibelungen“ – viel machen mit dem Verstellen der Stimme und mit Geräuschen. Aber ich habe mittlerweile bei diesen Versuchen, Personen zu charakterisieren, eher das Bedürfnis, schlichter zu werden und mit den feinen Nuancen meiner natürlichen, eigenen Stimme in die Figuren hineinzugehen.