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Blickwinkel: Sophie Werkmeister – CPE-Bach-Akademie Hamburg

„Sie müssen nur noch aufgeführt werden“

Mit der Gründung einer eigenen Akademie will der Carl-Philipp-Emanuel-Bach-Chor Hamburg die Musik seines Namensgebers nachhaltig im Konzertleben positionieren und die Hansestadt als prominenten Bach-Standort stärken.

vonJan-Hendrik Maier,

Sophie Werkmeister, seit 2021 für die künstlerische Geschäftsführung des Carl-Philipp-Emanuel-Bach-Chors Hamburg zuständig, gibt im Blickwinkel-Interview einen Ausblick auf die neue Akademie der Hamburger Kulturinstitution.

Im April 2023 wurde die Carl-Philipp-Emanuel-Bach-Akademie Hamburg ins Leben gerufen. Wie ist es dazu gekommen?

Sophie Werkmeister: Carl Philipp Emanuel Bach war ein Revolutionär auf der Suche nach Neuem, der stets hohe Ansprüche an seine Musiker gestellt hat, insofern ist er für uns als Ensemble ein idealer Leitstern. Im vergangenen Jahr haben wir mit einem sehr erfolgreichen Festival zu seinen Ehren ein Vierteljahrhundert Bestehen gefeiert. Zugleich wurden seine Werke neu editiert, sie müssen nur noch aufgeführt werden. An beides wollen wir mit der Akademie anknüpfen. Wir sind sehr glücklich, dass uns dabei Ton Koopman als Schirmherr unterstützt.

Mit welchen Formaten wollen Sie Zuhörer ansprechen?

Werkmeister: Musik machen und erklären hat in der Bach-Interpretation eine lange Tradition, diese führen wir mit einer eigenen Reihe von Gesprächskonzerten weiter. Zudem wird Hansjörg Albrecht, seit Beginn des Jahres künstlerischer Leiter des Ensembles und der Akademie, künftig vor jedem Konzert mit Hörbeispielen, Erläuterungen und Anekdoten die Hörer mitnehmen auf eine Expedition ins Reich der Musik. Beim Festival-Auftakt 2023 haben gut dreihundert Menschen seiner Einführung in der Elbphilharmonie gefesselt zugehört, das stimmt uns zuversichtlich. Frei nach der Prämisse „Man sieht nur, was man weiß“ wollen wir so die Musik Carl Philipp Emanuels in den Hörgewohnheiten unseres Publikums verankern. Darüber hinaus sind wir mit Partnern wie The Young ClassX über eine Art Reihe „Bach bewegt“ im Gespräch, um auch Kindern und Jugendlichen Bachs Musik erfahr- und erlebbar zu machen.

Auch die wissenschaftliche Forschung zu den Bach-Söhnen soll mit der Akademie vorangetrieben werden.

Werkmeister: Als Musiker können wir nur Impulse setzen, daher arbeiten wir gemeinsam mit der Hochschule für Musik und Theater Hamburg und dem musikwissenschaftlichen Institut am Aufbau eines Forschungsschwerpunkts zur Musik des 18. Jahrhunderts. Zudem konnten wir das Bach-Archiv Leipzig und den Intendanten des Leipziger Bachfests, Prof. Dr. Michael Maul, als enge Kooperationspartner gewinnen. Dort arbeitet man an einer innovativen Dokumentation zur Lebens- und Wirkungsgeschichte der Musikerfamilie Bach. Als Ensemble können wir wiederum die Ergebnisse vom Schreibtisch in die Praxis umsetzen.

Der Carl-Philipp-Emanuel-Bach-Chor Hamburg bei einem Konzert in der Elbphilharmonie
Der Carl-Philipp-Emanuel-Bach-Chor Hamburg bei einem Konzert in der Elbphilharmonie

Was bedeutet das konkret für das Konzertleben?

Werkmeister: Wir investieren einerseits in unsere Programmhefte mit fundierten Texten und anschaulichem Bildmaterial, andererseits entwerfen wir ein musikalisches Bild der Bach-Zeit, das auch Hamburg in seiner Tradition als Musikstadt, die schon damals mit London und Wien mithalten konnte, stärkt. Im April haben wir bei der zweiten Ausgabe unseres Festivals, das künftig jährlich stattfinden soll, mit der Akademie für Alte Musik Berlin ein absolut hochkarätiges und in der Musik des 18. Jahrhunderts Maßstäbe setzendes Ensemble mit an Bord. 2025 beginnen wir zudem mit einem zweijährlichen Wettbewerb für 18- bis 24-jährige Instrumentalistinnen und Instrumentalisten, der sich auch dem freien, fantasierenden Stil eines Carl Philipp Emanuel Bach zuwenden soll. Wir wollen nicht nur schöne Musik anbieten, sondern auch an gesellschaftsrelevante Themen anknüpfen und Impulse für unsere Zeit setzen.

Woran könnte es liegen, dass Carl Philipp Emanuel Bach trotz seines umfangreichen Werks im Schatten seines Vaters Johann Sebastian steht?

Werkmeister: Seine Musik verlangt den Aufführenden viel ab. Auf seiner Suche nach einer neuen Tonsprache hatte er den Fuß im Alten und öffnete zugleich das Tor zur Wiener Klassik und zur Moderne. Wir finden im wahrsten Sinn aufklärerische Musik, die sich in neuen Formen und der Hinwendung zur absoluten Musik Bahn bricht. Mal hört man durchaus den Vater heraus, oft aber auch sein Streben nach dem Empfindsamen, nach einem eher akademisch-geprägten, bürgerlich-liberalen Ideal als der engen Kantorenwelt, aus der stammte. Das alles ist für Interpreten und Zuhörer nicht immer leicht einzuordnen und oft ungewohnt.

Der Carl-Philipp-Emanuel-Bach-Chor Hamburg startet unter anderem mit Bruckners „Te Deum“ ins Konzertjahr. Wird der Jubilar in der Chormusik noch unterschätzt?

Werkmeister: Ich denke schon! Wir freuen uns darauf, mit dem Schlusspunkt seines musikalischen Schaffens, der neunten Sinfonie, das Bruckner-Jahr zu eröffnen. Hansjörg Albrecht hatte die Idee, die einzelnen Sätze mit den Motetten zu alternieren, um neue Perspektiven auf das Altbekannte zu ermöglichen. Die Motetten zeigen ganz wunderbar die intime Seite des Komponisten.

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