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Blickwinkel: Christoph von Bernuth

„Countertenöre sind das Salz in der Suppe”

Christoph von Bernuth, Regisseur, Operndirektor am Badischen Staatstheater Karlsruhe und Künstlerischer Leiter der Händel-Festspiele dort, hat den Farinelli-Wettbewerb ins Leben gerufen, der 2025 im Rahmen der Händel-Festspiele Karlsruhe zum ersten Mal stattfindet.

vonSusanne Bánhidai,

Der Farinelli-Wettbewerb gilt als erster Gesangswettbewerb für Countertenöre. Warum ist keiner vor Ihnen auf die Idee gekommen? 

Christoph von Bernuth: Das weiß ich auch nicht! Ich habe mich sehr intensiv umgehört in der Szene, um diese kühne Behauptung aufstellen zu können. 

Sie haben auch den internationalen Gesangswettbewerb „Pietro Antonio Cesti“ für Barockgesang mitbegründet. Dort sind Countertenöre auch sehr präsent. Was hat Sie veranlasst, den Wettbewerbsgedanken für das Stimmfach noch weiter zuzuspitzen? 

von Bernuth: Wir pflegen auch unter der neuen künstlerischen Leitung der Händel-Festspiele viele Traditionen, bewahren Strukturen und Formate der Barockoper. Ich habe mich gefragt, wie man die Händel-Festspiele noch weiter stärken und krönen kann. Was macht den Reiz der Barockopern aus? Das sind die Countertenöre, sie sind das Salz in der Suppe. Auch in zeitgenössischen Opern findet man tolle Rollen für dieses Stimmfach. Männer, die so hoch singen können, die Koloraturen und Kadenzen der Partien – das alles bleibt spektakulär und verdient konzentrierte Aufmerksamkeit. 

Wer kann sich bewerben? Und mit welchem Repertoire? 

von Bernuth: Alle Countertenöre bis 35 Jahre können sich bewerben, für unter 25-Jährige loben wir einen Jugendpreis aus. Ausdrücklich wünschen wir uns zeitgenössische Arien und vergeben auch einen Preis für den Vortrag von Musik, die nach 1945 für Countertenöre komponiert wurde. Auch Sopran-Partien in den ersten beiden Runden vorzutragen, ist absolut willkommen. Mit diesem Wettbewerb wollen wir für alle Entwicklungen und Facetten des Stimmfaches – Alti, Mezzi, Soprani – offen sein! 

Wer sitzt in der Jury?

von Bernuth: Wir konnten eine hochkarätige Jury zusammenstellen. Der Intendant des Badischen Staatstheaters Christian Firmbach vertritt mit seiner langjährigen Erfahrung als Stimmexperte das Haus. Weitere Zugpferde sind Max Emanuel Cenčić als fantastischer Countertenor, der auch als Regisseur, Agenturinhaber und Leiter des Festivals Bayreuth Baroque, aktiv ist, Bernd Feuchtner von den Händelfestspielen Halle, die Casting-Referentin der Oper Zürich Natascha Ursuliak und Vivica Genaux, die als Sängerin von Weltrang viele Rollen selbst gesungen hat. 

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Die Sinnhaftigkeit von Wettbewerben wird auch kritisch gesehen. Worin sehen Sie den Benefit eines weiteren Wettbewerbs?

von Bernuth: Ich habe mit Alessandro de Marchi beim Cesti-Wettbewerb erlebt, wie so eine Veranstaltung ein Sprungbrett für junge Talente sein kann. Viele Stimmen, die dort im Finale waren, singen heute auf den großen Bühnen. Ich bin überzeugt davon, dass hier beim Farinelli-Wettbewerb die Zugkraft diesbezüglich noch stärker sein wird.  Hier sammelt sich die Qualität des Stimmfachs. Alle, die auf der Suche nach neuen Countertenören sind, werden kommen oder auf YouTube schauen, wer Potential hat. Wir streamen das Finale live. 

Benannt ist der Wettbewerb nach dem wohl bekanntesten Vertreter der Zunft, dem Kastraten Farinelli. Die Faszination der Countertenöre hat sich gehalten, obwohl es die körperliche Komponente des physischen Eingriffs nicht mehr gibt. Wie sehen Sie die Entwicklung des Stimmfaches? 

von Bernuth: Farinelli soll einen Stimmumfang von dreieinhalb Oktaven gehabt haben, das hat heute kein Countertenor, obwohl einige von ihnen in ihre tiefere Stimmlage wechseln können. Countertenöre und Frauenrollen haben die Kastraten abgelöst, die hohen Männerstimmen geben der Opernwelt aber immer noch einen speziellen Glanz und Glamour. Nach einer Saure-Gurken-Zeit ab dem frühen 19. Jahrhundert haben Jochen Kowalski, Andreas Scholl oder René Jacobs im 20. Jahrhundert das Stimmfach wieder reanimiert. Heute ist es überwiegend eine Regie-Entscheidung, eine Frauenpartie in einer Barockoper von einem Mann singen zu lassen. Spannend ist die Entwicklung, echte Sopran-Partien mit Männern singen zu besetzen. Das können auch nur wenige wie Bruno de Sà oder Samuel Mariño. Auch die zeitgenössischen Opern präsentieren Countertenöre verschiedenster Couleur – da werden wir also noch Vieles erleben! 

Wie wird der Wettbewerb mit den Festspielen verknüpft sein? 

von Bernuth: Das Finale ist am 2. März 2025 im Kleinen Haus des Badischen Staatstheaters, die Vorrunden finden auf den Probebühnen statt. Bewerbungsschluss ist der 31.12.2024. Wir freuen uns auf diesen Höhepunkt der nächsten Ausgabe der Händelfestspiele.

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