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Blickwinkel: Jan Nast – Wiener Symphoniker

„Das gibt es noch gar nicht in Europa“

Jan Nast, Intendant der Wiener Symphoniker, hatte schon immer ein Faible für reisende Ensembles. Nun führt das sein Orchester, das in diesem Jahr sein 125-jähriges Bestehen feiert, nach Triest – für ein Festival im Frühling.

vonSusanne Bánhidai,

Die Wiener Symphoniker gestalten ein Wochenende im April mit drei Konzerten in Triest mit ihrem Chefdirigenten Petr Popelka. Warum gerade dort? 

Jan Nast: Als ich mich mit der Geschichte der Wiener Symphoniker auseinandergesetzt habe, ist mir sehr viel Interessantes begegnet. Einer der ersten Gastspielorte 1902 mit dem Gründer der Wiener Symphoniker Ferdinand Löwe war Triest. Das war damals der österreichische Hafen am Mittelmeer, denn das k.-u.-k.-Reich hatte ja enorme Dimensionen. Ein Musikfestival am Mittelmeer im Frühling – das gibt es noch gar nicht in Europa! 

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Warum gerade jetzt? 

Nast: Wir krönen unser Jubiläum mit diesem neuen Impuls. Und ich finde, ein Orchester braucht ein eigenes Festival. Wir sind zwar seit der Gründung der Bregenzer Festspiele im Sommer das Residenzorchester dort. Im Frühling fehlt uns noch etwas Eigenes. Die Wiener Symphoniker haben seit über fünfzig Jahren ihr großes Fernsehkonzert „Frühling in Wien“. Mit dem Festival haben wir unsere eigene „Frühlings-Show“, die auch im ORF übertragen wird. Geplant ist das Festival für drei Jahre.

Wie wurde Ihre Initiative aufgenommen? 

Nast: Wunderbar. In Triest ist die Verbindung nach Wien definitiv auch noch da. Manche nennen die Stadt ja auch „kleines Wien“. Die Stadt hat eine gute Infrastruktur mit zwei Opernhäuser und weiteren Theatern. Wir spielen im Politeama Rossetti, das ursprünglich das größte Theater in Italien war. Zweimal wurde es zurückgebaut und bietet nun 1.500 Zuschauern Platz. Das Teatro Verdi ist dort jetzt das größere Opernhaus mit einem kleinen Sinfonieorchester, Chor und Ballett. Wir sind dort als Gäste herzlich willkommen, weil wir das musikalische Leben ergänzen. 

Das Programm ist ein Gruß aus Österreich, aber nicht nur. Wie kam es zustande? 

Nast: Wie eben erwähnt, spielen wir das, was sich dort mit regionalen Kräften nicht so leicht realisieren lässt: groß besetzte Orchesterwerke von Gustav Mahler und Richard Wagner. Gleichzeitig sind wir Botschafter der österreichischen Musiktradition und haben auch Mozart und unseren diesjährigen Jubilar Johann Strauss (Sohn) im Gepäck. Außerdem schaffen wir in jedem Programm eine Verbindung zur italienischen Musik. Am ersten Abend werden wir beim „Aperitivo Musicale“ mit kleinen Ensembles an verschiedenen Orten die Stadt erkunden. 

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Was macht Triest sonst noch aus? 

Nast: Neben der Lage besticht Triest durch ihren Architektur-Mix. Es gibt große Palais, einen Canale Grande, einen noch unentdeckten Hafen. Triest ist der Importhafen für den Kaffee Italiens: die Kaffeehauskultur, die wir Österreicher ja gut kennen, spielt hier eine große Rolle, wie auch die Literatur. Die Küche dort ist etwas ganz Besonderes. Die Sinnlichkeit Italiens mischt sich mit der Deftigkeit der Bergregionen Kärntens und Sloweniens. Hier kommt der Prosecco her. Außerdem ist die Kulturhauptstadt 2025 Nova Gorice nicht weit entfernt

Wen laden Sie ein? 

Nast: Selbstverständlich erwarten wir unser treues Publikum aus Wien. Die Konzerte sind im Abo buchbar, wir hoffen also, dass unsere Fans mitreisen. Triest liegt in einer Gegend, die viele Österreicher ohnehin als Feriendestination nutzen. Triest spricht eine heimliche Sehnsucht der Wienerinnen und Wiener aus – aus Nostalgie. Im Dreiländereck Slowenien, Italien und Österreich heißen wir auch alle Nachbarn willkommen – und selbstverständlich die Italien-verliebten deutschen Klassik-Liebhaber. 

Reisende Orchester erfahren mittlerweile auch das Stigma, nicht nachhaltig zu sein. Wie lösen Sie das Dilemma? 

Nast: Selbstverständlich haben wir dieses Thema auf der Agenda, dabei gilt es immer abzuwägen, was sinnvoll ist. Wir bemühen uns, weniger zu „tingeln” und dafür längere Residenzen einzuplanen, zum Beispiel sind wir im Frühling auch für acht Tage in Peking – aber eben nur in dieser Stadt. Wer sich bewegt, stößt CO2 aus. Aber man kann gut planen. Perspektivisch gehören Flugreisen innerhalb Europas der Vergangenheit an, wenn ein gutes alternatives Angebot vorliegt. Nach Triest wird das Orchester mit dem Zug reisen, und das werden bestimmt auch viele unserer Gäste.

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