Ein Tubist aus Bayern kommt zum Probespiel. Der Kapellmeister fragt: „Wie hätten Sie’s denn gern, c-Moll oder a-Moll?“ Darauf der Tubist: „Wieso zehnmoal, is amoal net g’nua?“. Die Tubistin Christina Birner, die auf einem Bauernhof in Niederbayern aufwuchs, kennt gewiss noch mehr solcher Witze auf Kosten des Instruments des Jahres. Früher wurde sie in der einstigen Männerdomäne selbst mit ihrer Tuba belächelt. Heute wird es „normaler, eine Frau an dem fast einem Meter großen Instrument zu sehen“, lacht sie.
Williams: Tubakonzert – 1. Allegro moderato
Alan Baer, New York Philharmonic, Alan Gilbert (Leitung)
Warner 2017
Ich erkenne natürlich das Stück. John Williams. Können Sie es bitte ein bisschen lauter machen? Dass ein Filmkomponist ein Tubakonzert schreibt, finde ich absolut genial. Eine neuere Aufnahme dürfte das sein … Oh, jetzt hört man es: tu tute tü, tut tu tü … Das Konzert habe ich auch gespielt. Einfach toll. Die Aufnahme dürfte aus den letzten zehn Jahren stammen, wegen der Aufnahmetechnik und dieses klaren, präsenten und großen Klangs. In dieser Art spielt man erst in jüngerer Zeit die Tuba. Da hat sich in den letzten zwanzig Jahren sehr viel entwickelt. Davor bevorzugte man nämlich den amerikanischen Chicago-Sound, mit seinem wolkigen und breiten Klang. Die Tuba bedient zwar noch immer alle Genres, aber sie ist auch immer mehr zum solistischen Konzertinstrument geworden. Und sie wird ernster genommen. Das ist ein amerikanisches Orchester. Auf den Solisten komme ich jetzt nicht. – Ah, das ist Alan Baer? Die Community der Tubaspielenden ist ja eigentlich sehr klein, man kennt fast alle.
Hindemith: Tubasonate – 1. Allegro pesante
Sam Pilafian, David Korevaar (Klavier)
Kleos Classics 2002
Die Hindemith-Sonate! Eines meiner Lieblingsstücke. Die Aufnahme ist nicht so neu. Super gespielt, alles richtig und ordentlich, vielleicht ein bisschen brav, heute würde man es etwas expressiver spielen, sich mehr trauen. Ein amerikanischer Musiker aller Wahrscheinlichkeit wegen des Vibratos. Die Amerikaner haben das ältere Klangideal, spielen mit mehr Vibrato. – Ah, Sam Pilafian ist das? Dann ist die Aufnahme doch nicht so alt, wie ich dachte.
Lundquist: Landskap
Michael Lind, Swedish Radio Symphony Orchestra, Iwan Lundquist (Leitung)
Caprice 1995
Das Stück kenne ich auch … Was ist das? – Ah, jetzt fällt es mir ein, „Landscape“! Wenn es der spielt, für den es komponiert wurde, dann ist vermutlich Aaron Tindall. Aber es klingt gar nicht nach ihm. Es klingt schlanker, viel nordischer und dunkler. Lundquists „Landscape“ liegt gerade auf meinem Notentisch. Das will ich unbedingt spielen! Ich wandere ja gerne, und diese Musik spiegelt die Berg- und Eiswelt so gut wider. Magisch und fast plakativ, wild, kein elegantes Stück, fast schon derb. Es braucht sehr viel Kraft, um diese Stimmung herzustellen. Man darf nicht zu schön spielen, und das ist schwerer, als man denkt. – Michael Lind ist der Solist? Und die Aufnahme von 1995? Das hätte ich nicht gedacht. Der spielt das einfach super und hat genau diesen Wumms, den man dafür braucht.
Moschee in Riad
Biermösl Blosn
Bayla Records 2016
Volksmusik, aber klar! Wie die Qualität einer Blaskapelle bemessen? Der Leiter der Biermösl Blosn, Christoph Well, ist klassisch ausgebildeter Trompeter und war mal bei den Münchner Philharmonikern. Ob die Genrewechsel funktionieren? Ja, denn viele meiner Kollegen kommen aus der Blasmusik, haben bereits wie ich in der Blaskapelle gespielt und dann erst studiert. Und dann kommen sie zurück und machen diese Musik wieder auf einem anderen Level. Es bleibt die Musik, mit der man groß geworden ist. Man ist und bleibt ein Musikant, und dieses Feeling braucht man auch in der Barockmusik. Das hat man wie eine Muttersprache gelernt. Dann weiß man mit jeder Art von Musik etwas anzufangen.
Vaughan Williams: Tubakonzert
Perry Hoogendijk, Concertgebouw Orkest, Dima Slobodeniouk (Leitung)
RCO 2023
Erkannt habe ich die Musik gleich, denn das ist das klassische Probespielkonzert für die Bewerbung um eine Orchesterstelle. An den ersten fünf Tönen hört man bereits, ob jemand etwas kann und alle Klangfarben beherrscht im Hoch und Tief, Laut und Leise. Das ganze Spektrum, der ganze Ambitus und Nuancen wie filigran, sensibel. Probespielkonzerte finden ja hinter dem Vorhang statt, und so hören alle Orchestermusiker zu, ob dieser Klang, diese Farbe ins Orchester passt. Aber wer mag das wohl sein? Das Spiel klingt sehr energetisch, sehr schnell. Ein super Orchester und super Solist, alles sehr klar gespielt. Bestimmt eine ganz neue Aufnahme.
Wagner: Das Rheingold (2. Szene Wallhall-Motiv)
Orchester der Bayreuther Festspiele, Pierre Boulez (Leitung)
Philipps 1981
(singt nach) Blechbläser spielen eine große Rolle bei Wagner. Das Lustige ist, die sogenannten Wagnertuben sind nicht wirklich Tuben, sondern Instrumente, die um 1870 speziell für Richard Wagner entwickelt wurden. Er benötigte für seinen „Ring des Nibelungen“ eine hornähnliche Klangfarbe. Die Wagnertuba wird mit einem Waldhorn-Mundstück gespielt und klingt wie eine Mischung aus Waldhorn und Tenorposaune. Tuba heißt eigentlich auf Latein nur „Röhre“. 1835 wurde in Berlin die F-Bass-Tuba entwickelt. Die Kontrabasstuba in B und C wurde in Tschechien gebaut. In weiten Teilen Amerikas sowie in Australien wird hauptsächlich die Kontrabasstuba in C verwendet und die Es-Tuba in der Brassband als Alternative zur F-Tuba. B- und C-Tuba haben einen recht breiten Sound, F- und Es-Tuba sind eher für den solistischen Einsatz und zeichnen viel klarer.
City Walker
Jon Sass
ATS-Records 2005
Die CD habe ich zuhause. Unverkennbar Jon Sass! Der Jazztubist lebt in Österreich und ist auch deshalb sehr auffällig, weil er sehr groß ist. Bei ihm sieht die Tuba wie ein Spielzeug aus. Ich selbst bin 1,63 groß und das Instrument macht mehr als die Hälfte von mir aus. Wenn ich die Tuba trage, dann sieht es von hinten aus wie eine Tuba mit Füßen. Das Instrument wiegt zwischen zehn und fünfzehn Kilo, je nach Modell natürlich, und sie wird meist auf dem Rücken transportiert. Mit Jon Sass verbinde ich ein wunderbares Improvisationskonzert mit einer Stepptänzerin irgendwo in Österreich, während meines Studiums. Musik, Tanz, das war einfach unglaublich! Wir hatten alle mit dem Perkussionisten eine coole Performance.
W. A. Mozart – Tuba Serenade
Philip Jones Bläserensemble
Marcophon 2008
(lacht) Also den Komponisten brauche ich jetzt nicht zu erkennen, oder? Für uns Tubisten gibt es ja nicht so viel Repertoire, wir müssen adaptieren. Wir machen es einfach, ob es immer gut wird, ist eine andere Frage. Ich habe Gesang studiert mit Schwerpunkt auf Alter Musik. Dadurch traue ich mich auch einmal, Bach zu spielen. Aber ich würde es nicht jedem empfehlen. Ich finde es meist auch nicht gut, wenn klassisch ausgebildete Musiker Jazz spielen. Das klingt meistens zu akademisch. Nur wenige schaffen den Spagat, etwa Till Brönner. Ich finde schon, dass man alles adaptieren darf, zumindest für Studienzwecke. Ob alles auf die Bühne muss, ist eine andere Sache.
Monteverdi: Canzonette a tre voci
Trio 21meter60
Genuin 2021
Das ist doch das Tuba Trio 21 Meter und irgendetwas dazu. Ich kann mir die Zahl nie merken. Wenn man drei Tuben auseinanderwickelt, dann hat man eine Rohrlänge von 21 Meter 60. Jedes Instrument misst 7 Meter 20. Alle spielen dasselbe Tuba-Modell. Ich kenne alle Musiker persönlich. Die drei sind einfach große Klasse! Der Fabian Neckermann ist Solotubist im Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin und der Tuba-Vertreter von Berlin im Jahr 2024, das ja das Jahr der Tuba ist. Er kommt aus der Nürnberger Ecke. Der Constantin Hartwig ist Preisträger sowohl des Deutschen Musikwettbewerb als auch des Internationalen Aeolus Bläserwettbewerbs und der Steffen Schmid ist in München bei den Philharmonikern. Alle spielen auf einem sehr hohen Niveau und haben für ihre CD den Opus Klassik bekommen.