Das Trio con Brio Copenhagen ist nicht nur eine musikalische, sondern auch eine echte Familienangelegenheit: Die koreanische Geigerin Soo-Jin Hong und die Cellistin Soo-Kyung Hong sind Geschwister, Soo-Kyung Hong ist noch dazu mit dem Pianisten Jens Elvekjaer verheiratet. Kein Wunder also, dass das Klaviertrio besonders viel Wert auf einen harmonischen gemeinsamen Ensembleklang legen. Unter diesem Aspekt haben sie auch die Interpretationen von Kollegen unter die Lupe genommen.
Mendelssohn: Klaviertrio Nr. 1 d-Moll, 1. Molto Allegro Agitato
Trio Wanderer
harmonia mundi 2013
Soo-Kyung Hong: Das ist auf jeden Fall nicht unsere Aufnahme, das kann ich jetzt schon hören!
Soo-Jin Hong: Ist das ein Wiener Klaviertrio? Das ist ziemlich frei vom Zeitmaß her.
Soo-Kyung Hong: Französische Musiker? Die Interpretation gefällt mir. Das klingt alles sehr gut. Jeder Instrumentalist hat einen vollen Klang.
Soo-Jin Hong: Das ist ziemlich sauber, der Cellist ist toll, von Anfang an. Ich finde, dass die Musiker sehr viel Klangqualität mit warmen Farben haben.
Soo-Kyung Hong: Ist es das Wanderer Trio? Es klingt irgendwie nach französischen Musikern, die Instrumente sind einfach sehr, sehr gut gespielt.
Soo-Jin Hong: Ja, und das Klavier klingt so perlend. Jetzt erkenne ich Vincent Coq auch.
Soo-Kyung Hong: Man hört, dass es ein richtiges Ensemble ist. Die Balance ist toll und alle drei Musiker sind sehr virtuos. (Zu Jens Elvekjaer:) Du sagst gar nichts!
Jens Elvekjaer: Ich brauche Kaffee.
Schubert: Klaviertrio Nr. 2 Es-Dur op. 100, 1. Allegro
Beaux Arts Trio
Philipps 1985
Jens Elvekjaer: Das ist eine ältere Aufnahme.
Soo-Kyung Hong: Isaac Stern? Nein? Hm, Beaux Arts Trio? Ja? Das habe ich am Cello erkannt! Ist das Bernard Greenhouse? Die hatten ja so viele verschiedene Cellisten.
Jens Elvekjaer: Ja, das ist die erste Ausgabe. Man hört auch, dass es ein ganz anderes Aufnahmeideal ist. Heute werden die CD-Produktionen künstlich auf Hochglanz poliert. Das hier ist aber viel ehrlicher – so, wie man eben in den sechziger und siebziger Jahren aufgenommen hat. Und auch bei der Interpretation hört man sofort, dass sie älter ist. Das ist sehr ernsthaft, ohne viel Drumherum.
Soo-Kyung Hong: Ja, irgendwie auch nüchtern.
Soo-Jin Hong: Und ich liebe den Ensembleklang dieser Besetzung. Da ist man irgendwie ganz nah dran. Sie hatten sicher auch einen sehr guten Tonmeister. Besonders bei Beaux Arts und beim Wanderer Trio sind die Aufnahmen immer sehr gut ausbalanciert. Man hört alle Sachen, die man wahrnehmen soll.
Soo-Kyung Hong: Oh ja, und hier passt alles zusammen. Es ist wie bei Tetris.
Brahms: Klaviertrio C-Dur op. 87, 1. Allegro
Morgenstern Trio
telos music 2007
Soo-Jin Hong: Das ist ziemlich verhalten für ein C-Dur von Brahms.
Soo-Kyung Hong: Forte, bitte!
Soo-Jin Hong: Aber es ist ein Ensemble, oder? Das hört man am Klang.
Jens Elvekjaer: Ich finde, dass man das Cello viel zu wenig hört.
Soo-Jin Hong: Wer hat den Brahms aufgenommen?
Soo-Kyung Hong: Also, es ist auf jeden Fall nicht Beaux Arts oder so.
Soo-Jin Hong: Ich vermisse ein bisschen das Legato. In allen Instrumenten eigentlich. Aber vielleicht ist das die Interpretation. Ich glaube nicht, dass ich das Ensemble kenne. Sind die sehr jung? Unter vierzig, also das ist dann schon super- jung. (Alle lachen.) Wir sind ja alle schon über vierzig Jahre alt.
Beethoven: Klaviertrio Nr. 7 B-Dur, 1. Allegro moderato
Pinchas Zukerman, Jacqueline du Pré, Daniel Barenboim
Warner Classics 2006
Soo-Kyung Hong: Uuuuuhh, sehr überakustisch!
Jens Elvekjaer: Und sehr, sehr langsam.
Soo-Jin Hong: Zukerman? Ja! Und du Pré und Barenboim! (Alle hören eine Weile zu.)
Soo-Jin Hong: Jetzt kommt das Tempo.
Soo-Kyung Hong: Ich liebe dieses Ensemble sehr. Es hat ja alle Beethoven-Trios aufgenommen.
Jens Elvekjaer: Sie waren zwar auch drei Solisten, aber sie haben ja soviel zusammen gespielt – und Jacqueline du Pré und Daniel Barenboim waren ja auch ein Paar.
Soo-Kyung Hong: Es ist alles sehr breit ausgespielt, das ist auch nicht unbedingt eine moderne Spielweise.
Jens Elvekjaer: Es ist bei allen sehr romantisch im Klang und hypermelodisch gespielt. Aber das Stück ist ja auch ein bisschen so ein Übergangsstück, darum steht das der Musik ganz gut.
Soo-Jin Hong: Wenn man alles so ausspielt, muss man das wirklich mit schönem Klang füllen – so wie sie das machen. Sonst kann es ziemlich langatmig werden.
Tschaikowsky: Klaviertrio a-Moll op. 50, 1. Pezzo elegiaco
Vladimir Ashkenazy, Itzhak Perlman, Lynn Harrell
Warner 1980
Soo-Jin Hong: Die Aufnahme kenne ich nicht. Capuçon? Nein? Gulda? Hm. Maisky? Haha, nein, der ist es nicht, das ist zu normal! Das Stück ist sehr anspruchsvoll für jeden Musiker – und sehr heikel für jedes Instrument. Außerdem ist es sehr lang, es dauert fünfzig Minuten. Um da eine Geschichte zu erzählen, braucht man wirklich eine gemeinsame Strategie.
Soo-Kyung Hong: Auf jeden Fall ist diese Interpretation sehr anders als unsere. Das Tempo ist viel gesetzter. Für meinen Geschmack ist es ein bisschen zu schwerfällig.
Jens Elvekjaer: Ja, es ist irgendwie quadratisch und nicht sehr emotional. Und man hört mehr die Töne und nicht die Bewegung, wo es hingehen soll.
Soo-Jin Hong: Es ist irgendwie klinisch und sehr trocken. Hier steht zum Beispiel eigentlich ein Accelerando.
Jens Elvekjaer: Irgendwie klingt es auch nicht wie ein Trio. Ich habe das Gefühl, dass sie sich nicht frei zusammen bewegen können.
Soo-Jin Hong: Das Klavier ist ziemlich pompös und hat einen relativ harten Klang. Oh, ich hoffe nicht, dass es Kollegen sind, die wir gut kennen.
Jens Elvekjaer: Es sind sicher super Spieler. Also, es ist keine moderne Aufnahme. Es könnte eventuell ein russischer Geiger sein. Nein? Perlman? Und Ashkenazy und Lynn Harrell? Aha! Ja, man hört, dass es tolle Solisten sind.
Soo-Jin Hong: Ich finde auch, dass man an der Klangproduktion hören kann, dass sie normalerweise als Solisten in großen Sälen auftreten und dass der Fokus auf anderen Dingen liegt als in einem Ensemble, wo man auch in der Dynamik ganz runter gehen und mit den Klangfarben fantastisch zusammen spielen kann. Gerade Tschaikowsky hat viele Informationen in die Noten geschrieben. Und das erarbeitet man eigentlich als Ensemble zusammen und versucht, eine gemeinsame Wellenlänge zu finden. Die Zeit hat man als Solistentrio einfach nicht.
Mozart: Klaviertrio B-Dur KV 502, 3. Allegretto
Anne-Sophie Mutter, André Previn, Daniel Müller-Schott
Deutsche Grammophon 2004
Soo-Jin Hong: Anne-Sophie Mutter, André Previn und Daniel Müller-Schott! Man erkennt Mutter sofort an ihrem Vibrato. Sie spielt alle Töne ganz solistisch und präsent. Und mit viel Vibrato. Jede kleine Note klingt.
Jens Elvekjaer: Die Aufnahme ist sehr geigenfreundlich, kann man sagen. Es ist wirklich extrem, sie spielt einfach jeden Ton mit Vibrato. Aber es klingt schön.
Soo-Jin Hong: Und irgendwie ist es auch bewundernswert. B-Dur liegt nämlich auf der Geige nicht sehr bequem. Aber sie kann alle Töne klingen lassen.
Soo-Kyung Hong: André Previn spielt viel leichter, für meinen Geschmack klingt das eher nach Wiener Klassik.
Jens Elvekjaer: Sehr elegant.
Soo-Kyung Hong: Und die Geige spielt sehr viel romantischer.
Jens Elvekjaer: Ein Violinkonzert in B-Dur für drei Instrumente. Aber sie klingen trotzdem toll zusammen als Ensemble, sie haben ja auch sehr viel zusammen gespielt. Es ist eine sehr romantisierte Mozart-Ausgabe, aber das ist schön.
Ravel: Klaviertrio a-Moll, 4. Final: Animé
Trio Dali
Fuga Libera 2008
Soo-Jin Hong: Capuçon? Ich sage einfach immer Capuçon, irgendwann stimmt es dann!
Soo-Kyung Hong: Das klingt gut!
Jens Elvekjaer: Sehr durchsichtig.
Soo-Kyung Hong: Ja, von Anfang an. Die Flageoletts und der Klang überhaupt sind sehr gut ausbalanciert. Sind wir das?
Jens Elvekjaer und Soo-Jin Hong: Nein!
Soo-Kyung Hong: Ich mag das sehr, die Aufnahme ist wirklich gut.
Soo-Jin Hong: Der dynamische Bereich ist wirklich sehr groß. Und sie spielen sehr texttreu. Mit dem Tempo am Anfang – und jetzt meno mosso.
Soo-Kyung Hong: Das ist auf jeden Fall ein festes Ensemble!
Soo-Jin Hong: Ich glaube nicht, dass wir die kennen, aber es klingt wunderbar!