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Kurz gefragt Daniel Müller-Schott

Cellist in progress

Es gibt kaum ein Thema, über das man mit Daniel Müller-Schott nicht reden kann. Hier spricht er über …

vonTeresa Pieschacón Raphael,

… Doppelnamen

Die ersten Jahre meines Lebens hieß ich Daniel Müller. Bei den „Jugend musiziert“-Wettbewerben gab es so viele Müllers – ich habe meinen Namen damals nie auf der Liste gefunden. Da hatte meine Mutter die Idee, ihren Namen zu dem meines Vaters hinzuzunehmen. Und so kam ich zu meinem Doppelnamen. Vor zwei Jahren bin ich bei einem Festival mit Armin Mueller-Stahl aufgetreten. Nach der Vorstellung sagte er mir: „Wir Müllers mit Doppelnamen müssen zusammenhalten.“ Das fand ich nett.

… Zollgeschichten

Ich bin seit zwanzig Jahren unterwegs, seit meinem siebzehnten Lebensjahr. Morgen geht’s in die USA nach Phoenix, Arizona. Gerade habe ich mit meiner Agentur, die in New York sitzt, gesprochen. Es dürfen neuerdings keine Gegenstände ins Land eingeführt werden, die aus Elfenbein bestehen. Ich mache mir jetzt etwas Sorgen um meinen Cellobogen, dessen Kopf mit Elfenbein verarbeitet ist! Die Aufregung in den USA ist derzeit sehr groß. Man weiß nie, wie die Sicherheitskräfte reagieren. In Neuseeland musste ich bei der Einreise mal für einen Apfel, den ich im Rucksack hatte, eine Strafe von 400 Dollar zahlen! So streng sind die Gesundheits- und Lebensmittel-Bestimmungen. Das war wirklich der teuerste Apfel meines Lebens!

… Üben, üben …

Ich reise sehr gerne, aber die langen Wartezeiten sind auch anstrengend. Deshalb packe ich oft mein Cello aus und fange auf Flughäfen an zu üben. Manche erkennen mich, andere nicht, die Kinder sind oft sehr spontan und das macht mir besonders Spaß. Wie man wahrgenommen werden will, ändert sich ja im Laufe eines Künstlerlebens. Am Anfang ist man bemüht, bekannter zu werden, aber irgendwann wird der Wunsch immer größer, die Musik mit den Menschen teilen zu können. Das steht dann im Zentrum, nur so kann ein Künstlerleben sinnvoll sein. Deshalb mache ich so gerne bei „Rhapsody in School“ mit, das Kindern an allen Schulen einen Zugang zu klassischer Musik vermitteln möchte.

… Fußball

Kurz vor der WM 2006 fragte mich die Süddeutsche Zeitung, ob ich ein Porträt über Philipp Lahm schreiben könnte. Das habe ich gerne gemacht, weil ich selbst sehr gerne Fußball spiele. Ich erfuhr dann, dass der Artikel Philipp Lahm gut gefallen hat. Als dann 3sat ein Filmporträt über mich drehte, bat ich ihn, bei einem Interview über Sport und Musik mitzumachen. So haben wir uns kennengelernt. Philipp ist sehr offen und hat mich einmal gefragt, ob er ein paar Töne auf dem Cello spielen dürfe. Er hat schnell gespürt, wie die Gewichtsverhältnisse auf so einem Instrument sind, und gescherzt, dass es mit den Füßen doch sehr viel leichter sei. Zu meinen Fußballkünsten äußerte er sich sehr höflich, ich hätte doch ein gewisses Talent. Naja … (lacht).

… Heavy Metal

In Bachs Jubiläumsjahr 2000 fragte mich ein Veranstalter, ob ich Lust hätte, vor einem Metallica-Konzert eine Bach-Suite zu spielen, quasi als „Vorgruppe“. Ich war Anfang zwanzig und fand es spannend zu sehen, wie Menschen reagieren, die wahrscheinlich noch nie mit Klassik in Berührung gekommen sind. Ähnlich war es beim Roskilde-Festival in Dänemark. Da bin ich vor tausenden von Heavy Metal-Fans mit einem Schostakowitsch-Konzert aufgetreten. Das war sehr interessant: Ich hatte den Eindruck, dass nach wenigen Minuten der Lärmpegel sank und die Musik die Leute irgendwie konzentriert hat, vielleicht auch auf sich konzentriert hat. Das Wesentliche, die innere musikalische Botschaft schien tatsächlich anzukommen. Gerade bei Bach empfand ich das ganz intensiv. Am Schluss hatte ich den Eindruck, dass sich ein Fenster geöffnet hatte für Bach oder für das Cello und das war für mich enorm motivierend.

… Graffiti

Ich würde sehr gerne mal wieder eine Sprühdose in die Hand nehmen, wie ich das als Jugendlicher oft getan habe. Diesmal würde ich vielleicht Zeilen aus einem Gedicht oder Worte, Verse eines Autors, die mir viel bedeuten, an die Wand sprühen. Ich würde gerne wieder mehr visuell arbeiten. Als Kind habe ich viel gemalt, und es hätte beruflich auch in diese Richtung gehen können. Aber die Musik war doch stärker.

… ein Stück Holz, das oben kreischt und unten brummt …

Ja, das hat Dvořák gesagt! Den Satz hat er aber nicht nur durch sein wunderbares Konzert ad absurdum geführt, sondern auch zehn Jahre vor seinem Tod revidiert. Als er das Konzert des amerikanischen Komponisten Victor Herbert in New York hörte, rief er begeistert: „Famos, ganz famos, wie man für das Cello schreiben kann!“ Ich habe Dvořáks Konzert hunderte Male gespielt, zum ersten Mal mit siebzehn, gerade mit den Berliner Philharmonikern und jetzt auf CD. Ich habe mich immer mehr in Dvořáks Musik und Biographie vertieft. Zu dem, was ich als ganz junger Musiker empfunden habe, kommt jetzt ein gedanklicher Überbau dazu – und natürlich die vielen Erfahrungen, die ich auf dem Konzertpodium gesammelt habe.

… die Situation vor dem Konzert

Mir ist es wichtig, dass man überhaupt etwas erlebt. Dass man nicht nur im Hotel bleibt. Ich gehe gerne in Museen, schaue mir die Stadt an, die Architektur, beschäftige mich mit der Kultur und dem Land, in das ich reise. Man muss sich als Künstler unbedingt eine zweite Realität – fernab der Bühne und des Musikbetriebs – schaffen, aus der man schöpfen kann. Wenn man außer dem „Jet-Set“-Leben – das ja sehr viel weniger glamourös ist als sein Ruf – nichts erlebt, dann kann sich auch wenig auf die Musik, die man spielt, übertragen. Als Musiker ist man stets „in progress“.

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