Frau Rutschka, was muss ein Schüler mitbringen, um bei Jugend musiziert mitzumachen?
Mariola Rutschka: Begabung, Fleiß, Ehrgeiz, Konzentration, Ausdauer – und natürlich Spaß und Lust! Man muss als Lehrer sehr wachsam sein, um zu erkennen, wer geeignet sein könnte, denn im Grunde kann jeder ein Kandidat sein.
Woran machen Sie das fest?
Rutschka: Ich beobachte. Wenn ich merke, dass sich ein Schüler immer gut vorbereitet und das Musizieren ernst nimmt, werden auch die Aufgaben komplexer und die Anforderungen größer. Wenn die Schüler das wahrnehmen und sich auch weiterhin bemühen, dann weiß ich, dass sie mehr möchten und für den Wettbewerb geeignet sind. So entwickelt sich das.
Warum schicken Sie Ihre Schüler zu Jugend musiziert?
Rutschka: Die Schüler machen auf dem Weg zum Wettbewerb eine große und rasche musikalische Entwicklung auf dem Instrument. Sie sammeln viele neue Erfahrungen und stellen sich neuen Herausforderungen, etwa dem Musizieren mit anderen Schülern. Letztlich geht es um die Persönlichkeitsbildung. Die Schüler lernen sich darzustellen und zu präsentieren und Jugend musiziert ist für solche Momente eine treibende Kraft.
Wie reagieren Ihre Schüler darauf, wenn Sie ihnen sagen, dass sie das Talent für Jugend musiziert haben?
Rutschka: Das sage ich nie: „Du hast das Talent für Jugend musiziert.“ Für mich haben nämlich alle ein gewisses Talent, sonst würden sie sich nicht mit dem Instrument beschäftigen. Ich erkläre einfach, dass es einen schönen Wettbewerb gibt, und frage, ob die Schüler Lust hätten, da mitzumachen. Ich erkläre ihnen auch, dass sie dabei die Chance hätten, sich ein bisschen mehr und vor allem tiefer mit der Materie zu beschäftigen. Das motiviert sie und nimmt ihnen den ersten Schreck. Dieser Drei-Etappen-Wettbewerb kann nämlich schon wie eine kleine Abitur-Prüfung sein, auch wenn man Jugend musiziert nicht mit dem Schulsystem vergleichen kann, sondern eher mit einer Sport-Olympiade. Der Notenspiegel des Wettbewerbs orientiert sich an dem, was die Jugendlichen leisten und nicht an der zu erwartenden Leistung für die jeweiligen Altersgruppen. Das ist eine völlig andere Herangehensweise als in der Schule, aber damit auch schwierig für die Jury zu bewerten.
Wie bereiten Sie Ihre Schüler auf den Wettbewerb vor?
Rutschka: Das Entscheidende ist, welches Programm ich für den Wettbewerb wähle, um die Schüler über Monate am Üben halten zu können. Das muss ihnen gefallen, denn die Vorbereitungszeit kostet sehr viel Zeit. Wenn die Schüler mit dem Programm konfrontiert werden, sagen sie oft, sie würden das nie schaffen, und es ist schön zu sehen, dass sie es am Ende doch gut meistern. Ich habe dieses Jahr sechs Schüler zu Jugend musiziert geschickt, und das war wirklich eine Herausforderung für mich selbst. Hinzu kommt das Üben mit Begleitern. Das Entscheidende ist nachher das Zusammenspiel und das gemeinsame Musizieren. Am Ende kommt das mentale Training, auf das ich großen Wert lege.
Was bedeutet das genau?
Rutschka: Das bedeutet, dass die Schüler die antrainierten Abläufe mental festigen sollen. Beispielsweise den Umgang mit Stresssituationen, Selbstvertrauen und Sicherheit während des Wertungsspiels, Konzentration und Präsenz. Das sollen sie sich möglichst oft durch den Kopf gehen lassen, denn diese Kleinigkeiten sind für Kinder unglaublich wichtig.
Suchen Sie immer das Programm aus?
Rutschka: Ja. Das ist eine schwierige Aufgabe.
Begleiten Sie Ihre Schüler beim Wettbewerb?
Rutschka: Ja, immer. Ich glaube, ich stütze sie und gebe ihnen eine gewisse Sicherheit. Das ist eine vertrauensbildende Maßnahme. Auch bei Konzerten und Vorspielen versuche ich dabei zu sein. Die Schüler wollen das auch so. Deshalb denke ich, dass ich uns beiden damit einen Gefallen tue. Und es interessiert mich natürlich auch.
Wie geht es Ihnen selbst während des Wettbewerbs?
Rutschka: Ich bin genauso aufgeregt wie meine Schüler (lacht).
Was passiert, wenn Sie mit der Jury-Entscheidung nicht zufrieden sind?
Rutschka: Das ist eine schwierige Frage. Man kann es natürlich nicht allen recht machen. Trotzdem leide ich mit, wenn es eine „enttäuschende“ Entscheidung für meine Schüler gibt. Man darf nicht vergessen, dass zu einem guten Ergebnis auch die Tagesform in dem Moment gehört. Ich versuche auch bei den Jurygesprächen dabei zu sein, um mit meinen Schülern über die Kritik zu sprechen und selbst zu reflektieren.
Wie trösten Sie Ihre Schüler bei Misserfolgen? Wie bauen Sie sie wieder auf und motivieren sie?
Rutschka: Beim Wettbewerb nicht „weiterzukommen“ ist für mich kein Misserfolg. Ich denke, schon daran teilzunehmen ist ein gewisser Erfolg und das wissen meine Schüler auch. Ich motiviere sie, bei Jugend musiziert mitzumachen, weil das Lernen und die Entwicklung das Wichtigste sind. Nach dem Wettbewerb sind alle Schüler besser und das merken sie auch. Nicht nur die Schüler, auch die Eltern sehen das. Und das ist wichtig, denn ohne das große Engagement der Eltern wäre das alles nicht möglich. Natürlich sind die Schüler nach einem schlechten Ergebnis erst einmal enttäuscht, aber es ist schön zu sehen, dass in der nächsten Woche alles wieder okay ist und die Jugendlichen einfach weitermachen. Das gehört auch zu meinen Aufgaben: darauf zu achten, dass es genau so läuft.
Setzen Sie sich Ziele für Ihre Schüler?
Rutschka: Ich glaube, bei diesem Wettbewerb ist es das Ziel der Schüler, weiterzukommen. Aber für mich ist das noch größere Ziel, die Entwicklung meiner Schüler zu erleben. Denn in der kurzen Vorbereitungszeit zum Wettbewerb entwickeln sich die Schüler meist schneller als in einem Jahr mit regulärem Unterricht.
Bleibt der Standard Ihrer Schüler auch nach dem Wettbewerb erhalten?
Rutschka: Ja, darum kümmere ich mich.
Sie sitzen gleichzeitig in der Jury von Jugend musiziert. Was macht Ihnen mehr Spaß?
Rutschka: Das sind zwei verschiedene Sachen, und beide machen mir Spaß. Als Lehrerin bin ich der Begleiter. Da erlebt man die ganze Entwicklung des Kindes und wird ein Teil von dessen Leben. Als Jurymitglied erlebe ich die Jugendlichen nur einen kurzen Moment. Dabei versuche ich möglichst objektiv zu sein und ihnen etwas Positives auf den Weg zu geben.