… Glück oder Melancholie
Je länger ich Musik mache, desto mehr gewinnt dies zweite Wort an Bedeutung. Ich bin im Grunde ein sehr positiver Mensch, aber ich glaube schon, dass die Melancholie, die durch die Beobachtung der Welt und des Lebens ohnehin entsteht, in der Musik und im Ausdruck eine immer stärkere Note bekommt. Es wäre vielleicht etwas platt zu sagen, dass die Melancholie in Verbindung mit dem Glück generell die Cellofarbe ist, aber es ist vielleicht das Feld, auf dem man als Cellist am meisten gefragt ist.
… Lebenskrisen
Täglich. Natürlich braucht jeder Mensch eine gewisse Sorglosigkeit, um überhaupt sein Leben leben zu können – doch gleichzeitig ist da dieser tägliche Kampf, der Verantwortung des Lebens gerecht zu werden. Eine Lebenskrise kommt vor allem dann, wenn man bestimmte Faktoren jahrelang vergessen hat: Ich habe eine selten glückliche Familie, wir wohnen hier in New York zusammen, trotzdem bin ich weltweit unterwegs, meine Festivals müssen blühen und gedeihen, gleichzeitig braucht mein Cellospiel tägliche Pflege und Liebe – das muss man schon alles sehr gut im Auge behalten.
… das Leben in der DDR
Ich würde sagen: gut überlebt. In der DDR war das Geheimnis die Familie die Zelle, in die man hineingeboren wurde – und da hatte ich ein Mordsglück, weil meine Familie eine typische Ostberliner Intellektuellenfamilie war, die sich für alles interessierte und dazu noch eine starke Öffnung zum Westen hatte durch Kontakte meines Vaters. Wir haben das Glück gehabt, dass wir zuhause wirklich diese Freiheit empfinden konnten, die die DDR uns nicht gegeben hat.
… die Staatskapelle Dresden
Das war für mich eine völlig andere Welt: Ich kam aus Berlin und habe mich gewundert, mit welcher Versenkung die Musiker dort in der Staatskapelle spielten – das kannte ich aus Berlin in der Form nicht. Natürlich gab es auch dort hervorragende Orchester, aber diese Versenkung, die damals die Staatskapelle auszeichnete, diese völlige Hingabe an die Musik hat mich sehr beeindruckt, und da habe ich viel gelernt.
… die deutsche Einheit
Die größte Sache meines Lebens – und es wird auch die größte Sache bleiben! Die mein Leben komplett verändert hat: Die Welt hat sich in die Richtung gedreht, die immer meinen Idealen entsprach – ich bin ein leidenschaftlicher Kosmopolit. Mich interessiert diese Internationalität der Musikerwelt, dieser Austausch der Kulturen, diese Mehrsprachigkeit, Offenheit und Grenzenlosigkeit, die die Musikwelt durch die Wende beispielhaft gewonnen hat.
… chinesische Küche
Meine Frau kocht wahnsinnig gut chinesisch. Und wann immer ich hier in New York bin, kann ich eine Gesundung auch in Bezug auf meinen Speiseplan erleben, denn wenn ich toure, ist die Ernährung doch immer sehr ungesund. Mein Lieblingsgericht ist Gong Bao Chicken: Hühnchen mit Paprika und Erdnüssen oder Cashew-Kernen, mit einer etwas dickeren und schärferen Soße … umwerfend!
… Werte
Ich glaube sehr an menschliche Beziehungen, an Freundschaften. Für mich sind Menschen genauso wichtig wie die Musik – und oftmals kommt eine Inspiration von Freunden oder Musikpartnern, die genauso intensiv oder sogar noch stärker ist als meine eigenen Gedanken. Mich interessieren Menschen wahnsinnig – von meiner Familie bis zum Publikum: Gerade mit einer Bach-Suite gehe ich oftmals in einen Saal und mich interessiert zunächst mal, wer die Menschen sind, die da sitzen – wer ist das, wie hören die zu? Und das bestimmt dann auch meine Interpretation sehr stark.
… musikalische Bildung
Musik, das hat schon Konfuzius gesagt, ist die Krone der Gesellschaft. Eine unglaublich vielfältige und ästhetische Art, sich zu verständigen und auch die Menschen zu kultivieren – im wahrsten Sinne des Wortes. Für Kinder hat Musik eine ganze starke Bildungs- und Prägungsfunktion, auch fürs Gehirn. Es geht nicht darum, dass jeder Jugendliche am Ende in der Carnegie Hall sitzen und sein Geld bezahlen soll, damit wir gefälligst dort auftreten können, sondern man muss es viel abstrakter sehen: Mit jedem Musik-Stein, der in diese Richtung gebaut wird, bauen wir auch eine gesündere Gesellschaft – das wird, gerade in Deutschland, noch unterschätzt.