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KURZ GEFRAGT: JULIA FISCHER

„Die Beziehung zur Geige ist wie eine Ehe”

Mit 15 konzertierte sie international, mit 23 wurde sie Deutschlands jüngste Violin-Professorin, und nun hat Julia Fischer mit 29 ihr zweites Kind bekommen. Hier spricht sie über…

vonFriederike Holm,

… die CD, die gerade in ihrem CD-Player liegt


Esa-Pekka Salonens Violinkonzert. Das spiele ich Anfang Mai mit den Wiener Philharmonikern zum ersten Mal. Es ist die einzige Aufnahme, die es bisher davon gibt, mit Leila Josefowicz und dem Finnish Radio Symphony Orchestra. Es dient nicht der Inspiration, es ist für mich eher einfach eine Information, wie das Stück mit Orchester klingt.

 

… ihren Lieblingsort in der Heimat


Der Starnberger See. Der Blick auf das blaue Wasser bei schönem Wetter, im Hintergrund die Alpen, das ist schon was. Von uns zuhause aus ist das nur zehn Minuten entfernt, von daher bin ich oft dort. 

 

… das Unterrichten


Das ist für mich sehr bereichernd, besonders weil ich Studenten unterrichte. Denn mit denen arbeite ich auch an dem Repertoire, das ich selbst in Konzerten spiele. Insofern ist das auch für mich selbst sehr lehrreich und inspirierend. Und ich erkläre gerne, ich helfe gerne. Es freut mich einfach, wenn ein Student mit einem Problem zu mir kommt und ich es lösen kann. Aber ich glaube, das Wichtigste, was ich meinen Studenten zu vermitteln versuche, ist die Liebe zur Musik, auch die Liebe an der Arbeit und die Liebe zum Detail. Dass man ein Werk immer wieder hinterfragt und es immer noch besser spielen möchte.

 

… den Mythos Stradivari


Das ist ein schwieriges Thema. Stradivaris sind mit die besten Instrumente, das steht gar nicht zur Debatte. Aber ich glaube, dass das den Spieler mehr beeinflusst als den Zuhörer. Man spielt besser, wenn man weiß, es ist eine Stradivari. Ich selber spiele eine Guadagnini und eine moderne Geige von Philipp Augustin und wechsle die Geigen ab. Ich habe zum Beispiel gerade eine Tournee gegeben und vier Konzerte mit der Guadagnini und eines mit der Augustin gespielt – und selbst im Orchester und auch im Publikum ist es niemandem aufgefallen. Mit 16 bis 20 habe ich mal eine geliehene Stradivari gespielt – das hat dann auch einen psychologischen Effekt, wenn es nicht das eigene Instrument ist. Die Beziehung zur Geige ist wie eine Ehe. Wenn etwas nicht passt, dann muss man das Problem irgendwie lösen. Aber da ich bei der Stradivari wusste, ich muss die Geige eh wieder hergeben, konnte ich nicht diese tiefe Beziehung zu dem Instrument aufbauen.

 

… ihr Lieblings-Kinderbuch


Alle Bücher von Michael Ende, ich bin ein großer Michael Ende-Fan. Als Kind habe ich „Momo“ gelesen und „Jim Knopf“. Die Bücher werde ich auch meinen Kindern vorlesen, wenn es soweit ist, im Moment sind sie noch zu klein. Aber die momentane Diskussion um die politisch korrekten Ausdrücke finde ich albern. Man kann ja gewisse Dinge beim Vorlesen auch erklären.

 

… ihren Plan B


Wenn ich nicht Geige spielen würde, dann wäre ich wohl – Pianistin. Ich hätte mir auch vorstellen können im Musikbetrieb zu arbeiten, als Konzertveranstalter, als Intendantin. Aber eigentlich habe ich mir darüber nie Gedanken gemacht, das stand für mich immer außer Frage. Und das wird auch so bleiben.

 

… die Vereinbarkeit von Karriere und Familie


Ich finde es schwierig, dass heutzutage erwartet wird, dass man alles schaffen kann. Man soll Kinder bekommen, Erfolg im Beruf haben, die Karriere verfolgen – bestenfalls gilt das für beide Partner. Ich arbeite quasi in „Teilzeit“. Ich spiele exakt halb so viele Konzerte wie vorher, auch als Professorin habe ich eine halbe Stelle. Manchmal nehme ich auch schöne Angebote an Tourneen nicht an, weil ich dann zwei, drei Wochen von Zuhause weg wäre und das möchte ich nicht. Das zu entscheiden fällt mir aber nicht schwer, weil ich genau weiß, was für mich und meine Familie zumutbar ist. Und wenn ich lieber den St. Martinstag feiern möchte, statt am anderen Ende der Welt zu sein, dann mache ich das. Man muss eben genau wissen, ob und wie viel man zurückstecken möchte. 

 

… Perfektionismus


Perfektionismus ist, glaube ich, gefährlich. Man soll seine Sache natürlich so gut machen, wie es irgend geht. Mir ist wichtig, dass ich selbst von mir mehr verlange, als es andere tun. Ich wurde schon als Kind dazu erzogen, dass ich zu mir am strengsten sein muss. Nicht die Lehrer oder Kritiker oder Eltern, sondern ich selbst. Ich habe im Unterricht etwas gespielt und musste dann selbst sagen, was daran gut oder nicht gut war. Aber es ist auch wichtig, dass man lernt, mit sich zufrieden zu sein. Es passiert mir selten, dass ich mich nach einem Konzert ärgere. Ich versuche mich so gut wie möglich vorzubereiten und dann das Ergebnis auch anzunehmen. Fehler passieren – aber wenn ich mir in der Vorbereitung nichts vorzuwerfen habe, dann muss ich mit dem Fehler eben leben.

Album Cover für
Dvořák: Violinkonzert a-Moll,
Bruch: Violinkonzert Nr. 1 g-Moll

Julia Fischer (Violine), Tonhalle-Orchester Zürich, David Zinman (Leitung). Decca

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