Herr Hellmig, seit 23 Jahren sind Sie als Kulturamtsleiter in Weingarten maßgeblich für das kulturelle Programm der Stadt verantwortlich. Worin sehen Sie Ihren Hauptaufgabenbereich?
Peter Hellmig: Das Kulturamt Weingarten ist zwar auch für Kulturförderung zuständig und kümmert sich um Institutionen wie Museen und die Stadtbücherei. Unsere Stärke ist aber der Veranstaltungsbereich, in dem wir selbst als Kulturproduzenten auftreten. Die „Weingartener Spielzeit“ ist neben allen Pflichten, die ich zu erledigen habe, sicherlich die Kür meines Aufgabenbereichs und unser bestes Pferd im Stall. Hier verfolge ich besonders im Bereich der Musik ehrgeizige Ziele. Dadurch dass wir mit den Klosterfestspielen die Theatersparte verloren haben und auch die Literatursparte aufgelöst wurde, habe ich die Zeit und Muße, mich noch stärker um die „Spielzeit“ zu kümmern und deren Qualität zu steigern.
Warum wurden die anderen Sparten aufgelöst?
Hellmig: Als ich meine Arbeit in Weingarten aufgenommen habe, gab es schon seit Jahrzehnten eine ehrenamtliche Struktur, die ein Kulturprogramm für eigentlich alle Zielgruppen entwickelt hat mit viel Theater und Kammermusik. In einem Umkreis von dreißig Kilometern gibt es aber sechs weitere Städte, die sehr ambitionierte Kulturangebote produzieren – besonders in diesen beiden Bereichen. Deshalb habe ich beschlossen, die Sparten Theater und Kammermusik weitestgehend aus dem Programm zu nehmen und mich mehr auf großbesetzte Musikveranstaltungen zu konzentrieren, mit einem Viertel Musiktheater und drei Viertel Orchesterkonzerte. Unser Kultur- und Kongresszentrum hat einen Konzertsaal mit 900 Plätzen und hervorragender Akustik, das ist ein Pfund, mit dem wir wuchern können. Eine Basilika für geistliche Konzerte gibt es auch, die wird aber gerade saniert. Übrigens zählen laut Kulturstatistik Orchesterkonzerte zu den am meisten nachgefragten Kulturangeboten überhaupt. Trotzdem bieten wir nicht nur an, was verlangt wird. Vielmehr stellen wir inhaltlich in der Regel Programme zusammen, die der Markt sonst nicht anbietet – auch für Menschen mit spezielleren Interessen wie die zeitgenössische Avantgarde.
Richtet sich das Veranstaltungsangebot in erster Linie an die Stadtbewohner oder an Touristen?
Hellmig: Wir sind mit 25.000 Einwohnern eine kleine Stadt, und zu meinem Aufgabenbereich zählt auch der Tourismus. Dieser spielt für die „Weingartner Spielzeit“ aber eine eher untergeordnete Rolle, obwohl das Publikum von außerhalb das Angebot ganz wesentlich mitfinanziert. Wir haben inzwischen einen sehr großen Einzugsbereich, die „Weingartner Spielzeit“ ist zur Marke geworden. Das zu erreichen, war bei der großen Konkurrenz, die wir hier haben, nicht ganz einfach. Man nimmt das Wort „Konkurrenz“ in unserer Region nicht so gern in den Mund, weil die Städte gerade im Kulturbereich sehr eng zusammenarbeiten. Gleichzeitig stehen wir aber auch in einem Wettbewerb miteinander. Da bin ich schon stolz, dass das kleine Weingarten inzwischen im Kulturbereich ganz vorne mitläuft.
Mit Ensembles wie dem Württembergischen Kammerorchester Heilbronn, dem Kammerorchester Basel oder der SWR Big Band und Solisten wie Nils Mönkemeyer, Arabella Steinbacher und Martin Stadtfeld sind die Konzerte prominent besetzt. Wer trifft die Programm- und Künstlerauswahl?
Hellmig: Anfangs habe ich genommen, was mir die Produzenten angeboten haben. Inzwischen erstelle ich fast das ganze Programm selbst. Agenturangebote kaufen wir nur noch selten ein. Bei reinen Barockkonzerten lege ich auch großen Wert auf eine historisch informierte Aufführungspraxis. Ich bin ich ein Qualitäts-Junkie, und es kommt mir darauf an, exzellente Musik von den besten Interpreten anzubieten. Wenn erstklassige, engagierte Künstler auf der Bühne stehen, ist das Publikum unmittelbar berührt und begeistert. Das bestätigen mir auch zahlreiche Rückmeldungen. Die Hoffnung ist, dass wir trotz der aktuellen finanziellen Einschnitte auf diesem hervorragenden Niveau weitermachen können.