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Interview Mojca Erdmann

„Ich habe einen ziemlich guten Instinkt“

Die Sopranistin Mojca Erdmann über Mozarts Magie, Mädchenträume und überdrehte Zofen

vonDagmar Leischow,

Ihre Leidenschaft für Musik wurde Mojca Erdmann in die Wiege gelegt. Ihr deutscher Vater ist Komponist, ihre slowenische Mutter hat Klavier studiert. Die Sopranistin, die eigentlich Geigerin werden wollte, wuchs in Hamburg auf, heute lebt sie in Zürich. Von dort reist sie um die Welt. Ob Neue Musik, Mozart oder Brahms, mit ihrer kristallklaren Stimme erschließt sich die 36-Jährige ein immer größeres Publikum. In der Staatsoper im Schiller Theater ist sie im Rahmen des Festivals „Infektion!“ in Wolfgang Rihms Oper Dionysos zu hören.

Frau Erdmann, Sie singen regelmäßig zeitgenössische Werke. Woher kommt Ihre Liebe zur Neuen Musik?
Mein Vater ist Komponist. Ich bin also mit zeitgenössischen Klängen aufgewachsen und hatte nie diese Berührungsängste, die ja einige Kollegen plagen. Schon als Mädchen habe ich moderne Stücke auf der Geige gespielt. Das war bei Wettbewerben wie „Jugend musiziert“ sowieso Pflicht. Was den Gesang angeht, da hatte ich allerdings ganz lange nichts mit Neuer Musik zu tun. Bis ich 2004 zum Alpenklassik-Festival nach Bad Reichenhall eingeladen wurde. Dort habe ich einige Komponisten kennengelernt, darunter Wolfgang Rihm und Aribert Reimann. Mit den beiden arbeite ich seither recht intensiv zusammen.

Rihm hat seine Oper Proserpina eigens für Sie geschrieben.

Das ist eine große Ehre. Wolfgang kennt meine Stimme wirklich gut – das hört man seiner Musik an, denke ich. Die Tatsache, dass ich ihn jederzeit anrufen kann, wenn ich eine Frage habe, empfinde ich als weiteres Plus. Ist doch wunderbar, mit einem Komponisten die Phrasierung diskutieren zu können. Ich wünschte, ich hätte diese Chance auch bei Mozart.

Er ist ein gewichtiger Teil Ihres Repertoires. Warum?

Mozart hat mich stets begleitet, seit frühester Kindheit. Seine Musik hat für mich eine unglaubliche Magie, die ich gar nicht so richtig in Worte fassen kann.

In Köln haben Sie als Pamina debütiert. Diese Partie war eher untypisch für Sie.

Es stimmt, mein Fach sind normalerweise diese ein bisschen überdrehten jungen Frauen, oft Zofen. Dagegen ist Pamina sehr viel tiefgründiger. Ich sehe sie als einen verinnerlichten Charakter, der große Trauer und Verletzbarkeit in sich trägt. Von dieser Figur dann in Baden-Baden in das Luder Despina zu wechseln, das hat etwas Zeit gebraucht. Aber gerade diese ständigen Wechsel sind letztlich das Reizvolle an meinem Beruf.

Würden Sie sich noch mehr Neue Musik auf den Spielplänen wünschen?

Ich habe den Eindruck, dass die meisten Opernhäuser inzwischen durchaus offen für Zeitgenössisches sind. Das gilt leider nicht unbedingt für Konzertveranstalter. Sie haben oft Vorbehalte gegen moderne Stücke. Dabei lassen die sich wunderbar ins normale Repertoire einbeziehen. Tradition mit Moderne zu verbinden, danach sollten wir streben. Wir brauchen überhaupt keine reinen Neue-Musik-Festivals.

Ist Ihnen Vielseitigkeit besonders wichtig?

Tatsächlich versuche ich, bei meinen Liederabenden zum Beispiel eine Reimann-Komposition mit Mozart, Schumann, Strauss und Debussy zu kombinieren. Und wissen Sie was? Es funktioniert hervorragend. Doch das ist nicht mein einziges Credo. Ich habe stets darauf geachtet, meine Stimme ganz behutsam aufzubauen. Parallel zum Studium fing ich in der Komischen Oper in Berlin an, mit kleinen Partien. Natürlich war ich anfangs manchmal ungeduldig, ich wollte gerne größere Sachen singen. Aber das wäre der falsche Weg für mich gewesen. Weil ich elementare Dinge noch gar nicht hätte einschätzen können: wie ich mit Lampenfieber umgehe, wann ich was vorbereite, wie ich mein Leben organisiere, um wirklich die Leistung zu erbringen, die ich von mir erwarte und, und, und.

Wissen Sie immer genau, was gerade zu Ihrer Stimme passt?

Ich denke, ich habe da einen ziemlich guten Instinkt. Falls ich zweifle, frage ich meine Lehrerin um Rat. Ich sage lieber einmal mehr Nein, statt mich zu überfordern. Wer sich zu früh an eine Rolle heranwagt, schadet bloß seiner Stimme. Das will ich auf jeden Fall vermeiden. Deswegen gehe ich langsam voran, Schritt für Schritt.

Geht mit Ihrem Leben als Sopranistin Ihr Kleinmädchentraum in Erfüllung?
Um ehrlich zu sein: Ich wollte ursprünglich Geigerin werden, allerdings keine Solistin. Als Sechsjährige hatte ich zum ersten Mal Unterricht. Ich habe wahnsinnig gerne im Orchester gespielt. Oder Kammermusik gemacht. Irgendwo dort sah ich meine Zukunft.

Heißt das, Sie haben in Ihrer Jugend gar nicht gesungen?

Doch. Mit drei bin ich in den Kinderkirchenchor eingetreten, mit sieben in den Kinderchor der Hamburgischen Staatsoper. Ich durfte bei etlichen Opernproduktionen mitwirken. Und habe im buchstäblichen Sinne Bühnenluft geschnuppert. Dieser spezielle Geruch der Hinterbühne, der hatte für mich stets einen ganz eigenen Zauber. Er fasziniert mich bis heute. Mit 14, also relativ früh, nahm ich dann Gesangsunterricht. Dabei habe ich gemerkt, dass ich meine Emotionen mit der Stimme sehr viel direkter als mit der Geige ausdrücken konnte. Deswegen fühlte ich mich stärker zum Gesang hingezogen.

Aber zunächst haben Sie Gesang und Geige parallel studiert.
Ein Doppelstudium hat mir einfach mehr Sicherheit gegeben. Weil ich aus einer Musikerfamilie komme, habe ich von Anfang an gewusst: Es kann durchaus hart sein, mit Musik sein Geld zu verdienen. Wenn ich als Sängerin gescheitert wäre, dann wäre mir alternativ die Geige geblieben. Als Geigenlehrerin hätte ich allemal arbeiten können. Das wäre für mich eher in Frage gekommen, als in einen Chor zu gehen. Ich wollte nämlich nur solistisch singen – oder gar nicht. Aber das ist eben nicht so leicht. Selbst jemand, der an der Hochschule gut ist, weiß nicht, ob er sich hinterher in der Freiheit behaupten können wird. Insofern hat es eine Weile gedauert, bis ich das nötige Zutrauen in mich und meine Stimme hatte.

Wie oft spielen Sie heute noch Violine?
Viel zu selten – leider! Ich hätte Lust, ein Kammermusikensemble zu gründen, mit einigen Sängern oder anderen Musikern. Ein Trio könnte mich ebenfalls reizen. Falls ich dieses Ziel nicht verwirklichen sollte, profitiere ich wenigstens als Sopranistin von meiner jahrelangen Erfahrung mit der Geige. Zum Beispiel bei einem Konzert mit Streichquartett. Oder auch bei Intonationsfragen. Denn jeder Geiger hat ein extrem gut geschultes Ohr.

Sie haben sogar ein absolutes Gehör.
Ja, das stimmt. Zum Üben brauche ich weder Klavier noch Stimmgabel, sondern allein meine Noten. Ich höre Töne innerlich und kann sie dann so abrufen. Wobei es für mich einen erheblichen Unterschied macht, ob ein Orchester in 442 oder 445 Hertz gestimmt ist. Bei der Così fan tutte-Inszenierung in Baden-Baden wurde sogar auf 430 runtergestimmt, also einen Viertelton tiefer. Das war schon erst mal schwierig. Da hätte ich nicht zwischendurch Liederabende in einer anderen Stimmung geben können, sonst wäre ich intonationsunsicher geworden. Auch eine Bach-Kantate in tiefer 415-Stimmung fordert mich enorm. Da geht es meist durch verschiedene Tonarten und es gibt viele Modulationen, deshalb schreibe ich mir so ein Stück um, damit ich nicht völlig durcheinander komme.

Gibt es eine Rolle, die Sie in naher Zukunft gern verkörpern würden?
Gilda aus Rigoletto. Im leichteren italienischen Repertoire möchte ich mich unbedingt versuchen. Dafür habe ich jetzt das nötige Rüstzeug.

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