Rosha Fitzhowle gehört zu den Opernsängerinnen, die nie um tiefe Gedanken verlegen sind. Gleichzeitig steckt das ausnehmend fröhliche Wesen der 33-jährigen Britin beglückend schnell an. Seit 2022 singt die Koloratursopranistin am Magdeburger Theater.
Sie kommen aus dem wunderschönen Edinburgh. Kommen Sie auch aus einer musikalischen Familie?
Rosha Fitzhowle: Nein, da bin ich die einzige Musikerin. Aber meine Eltern liebten immer die Musik. Bei uns waren viele Genres zu Hause. Als meine Grundschullehrerin meine Stimme entdeckt hatte, förderte sie mich mit Klavierunterricht und schickte mich in den Landesjugendchor, den „National Youth Choir of Scotland“. Daraus ergab sich, dass ich für die Domschule vorsingen durfte. Diese Ausbildung ist so gut, dass damit mein Weg vorgezeichnet war. Man musste zwei Instrumente spielen – bei mir waren das Klavier und Posaune.
Dann gingen Sie nach London zum Studieren.
Fitzhowle: Ich wollte in die große Stadt und das West End kennenlernen. Aber meine Professorinnen dort haben mir schnell zu verstehen gegeben, dass sie alle in Deutschland arbeiten. Sie sagten, wenn ich mutig genug wäre, diesen Schritt auch zu gehen, hätte ich vermutlich mehr Chancen.
Wann fanden Sie diesen Mut?
Fitzhowle: Ein Jahr nach meinem Bachelor, dem sich noch ein Schauspielabschluss anschloss, weil ich das Gefühl hatte, dass das Darstellerische beim Singen etwas zu kurz gekommen war. Dann habe ich mir zuerst eine Lehrerin in Deutschland gesucht und wurde durch einige glückliche Zufälle an Romana Noack empfohlen, die Ensemblemitglied an der Deutschen Oper am Rhein ist. Sie ist eine sehr gute Lehrerin, die viel von meiner Stimme herausgeholt hat, aber sie ist auch loyal und hat mich intensiv durch mein Masterstudium begleitet.
Wie alt waren Sie, als Sie diesen Schritt gewagt haben?
Fitzhowle: Da war ich 23, kam mit drei Koffern und konnte kein Wort Deutsch. Bei der Ausbildung wurde aber sehr darauf geachtet, dass wir die Sprache können, und das war gut.
Hätten Sie es auch zu Hause geschafft?
Fitzhowle: Schwierige Frage. In Großbritannien ist das System anders, es gibt keine Festanstellungen, so dass Sie dort viel nebenbei machen müssen, um Ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Die Möglichkeiten sind bei weitem nicht so groß wie hier, wo Sie sich ganz auf das Singen konzentrieren und viele Rollen übernehmen können. Aber ich denke trotzdem, ich hätte auch dort eine Karriere beginnen können, weil ich ein Mensch bin, der nicht aufgibt. Inzwischen bin ich in der Position, dass mich andere manchmal um Rat fragen, und das ist meine wichtigste Empfehlung an alle, die Künstler werden wollen: Wenn man Talent hat – nie aufgeben, nie aufhören!
Wie viel Glück gehört dazu?
Fitzhowle: Für mich war es eine Kette von Glücksfällen. Der erste ist jemand, der dich bestärkt, den Beruf wirklich zu ergreifen. Der zweite – und das ist sicher die wichtigste Beziehung im Sängerleben – ist ein guter Lehrer. Der dritte Glücksfall ist, den richtigen Zeitpunkt zu erwischen, ein Engagement zu suchen, wenn Theater auch gerade suchen. Jede Opernsängerin hat natürlich ihr Fach, eine individuelle Stimme und einen ganz eigenen Klang. Das muss mit dem Bedarf zu diesem Zeitpunkt zusammenpassen. Ich bin ein lyrischer Koloratursopran. Wenn aber gerade dramatische Sopranistinnen gesucht werden, habe ich Pech. Der vierte Glücksfall ist natürlich das Vorsingen. Da muss man auf den Punkt leisten.
Spielen Äußerlichkeiten auch noch eine Rolle?
Fitzhowle: Die Me-too-Debatte hat viel bewegt und das Bewusstsein geschärft. Natürlich ist die Oper eine visuelle Kunstform. Aber ich finde es falsch, dass die stereotype Vorstellung von Schönheit weiß und schlank bleibt. Ich finde gut, dass sich das jetzt langsam ändert. Das Thema interessiert mich sehr, und ich habe über die sexuelle Diskriminierung in britischen Orchestern sogar meine Bachelorarbeit geschrieben.
Nach einigen einzelnen Engagements sind Sie nach Magdeburg engagiert worden. Wie macht man das?
Fitzhowle: Meine Agentur hat mich hier zum Vorsingen vermittelt. Als einzelne Bewerberin ist das sehr schwer.
Dafür muss man aber auch erstmal eine Agentur finden.
Fitzhowle: Das hatte ich auf meiner Liste der notwendigen Glücksfälle noch vergessen. Auch da muss man ein „Loch“ in der Künstlerliste finden. Agenturen brauchen in ihrem Portfolio nicht mehr als zwei oder drei Solistinnen aus einem Fach.
Sie singen jetzt in Ihrer dritten Spielzeit, dabei sind die Rollen äußerst unterschiedlich – bis hin zum Musical. Wie kann man sich das alles aneignen?
Fitzhowle: In Großbritannien sind die Genres streng geteilt. Im deutschen Theatersystem sollte man flexibel sein. Ich mag das. Seit der Kindheit war ich schon verliebt in Musicals! Und es kann auch gesund sein, andere Epochen und Stile zu singen. Das hilft, eine ausgeglichene Stimme aufzubauen, solange es nicht extrem wird. Für eine dramatische Sopranrolle wäre ich nicht geeignet. Man ist in Magdeburg sehr gut zu mir.
Mit Violetta aus „La traviata“ und Giulietta aus „I Capuleti“ haben Sie in dieser Saison zwei große Hauptrollen aus unterschiedlichen Zeiten einzustudieren. Wie bereiten Sie sich darauf vor?
Fitzhowle: Der frühe Verdi ist noch nicht so weit entfernt von Bellinis Belcanto. Noch bevor ich mein Bachelor-Studium begann, verbrachte ich ein halbes Jahr bei einer Gastfamilie in Piemont, weil ich wusste, dass mir das Beherrschen der Sprache helfen würde, meine Kunstform besser zu verstehen. So wurde Belcanto meine Lieblingsepoche. All meine Lehrerinnen sind in dieser Gesangstechnik zu Hause, und ich bemühe mich seit fünfzehn Jahren um deren Verinnerlichung. Wenn man diese Technik meistert, hilft das auch für andere Stile. Seit vielen Jahren habe ich großartige Aufnahmen dieser Rollen gehört, da habe ich einige wichtige Vorbilder, von denen man ganz viel lernen kann. Dabei sollte man immer Muttersprachlerinnen hören. Während andere erstmal den Text sprechen, funktioniert mein Kopf viel schneller gleich über die Musik. Ein Vorteil des festen Engagements sind auch die Korrepetitoren am Theater, mit denen man die Stücke zusammen entdecken kann.
Manchmal hat man den Eindruck, dass sich einige Sängerinnen und Sänger zu stark auf das Stimmliche konzentrieren und zu wenig über das Stück selbst und seine Entstehungsgeschichte nachdenken. Sie haben zusätzlich Schauspiel studiert. Wie denken Sie darüber?
Fitzhowle: Diese Dinge werden in der Gesangsausbildung tatsächlich eher nebenbei abgehandelt. Das birgt durchaus die Gefahr, dass Libretto und Kontext zu kurz kommen. Gerade dann, wenn die Regie den Text für sich nicht angemessen übersetzt. Das habe ich selbst schon erlebt – natürlich nicht in Magdeburg. Wenn man bewusst gegen das Stück inszeniert, kann man über die Gründe diskutieren. Passiert das unbewusst, weil man es nicht besser versteht, kann das sehr stören. Andererseits gibt es auch Kolleginnen oder Kollegen, die ihre Rollen nicht tief genug studiert haben oder den Text ihres Gegenübers nicht kennen.
Wie wichtig ist das schauspielerische Element?
Fitzhowle: Mir ist das sehr wichtig. In der Oper werden Texte ja vertont, um ihren emotionalen Gehalt zu vermitteln, sonst könnte man sie wie auf der Schauspielbühne verlesen. Im besten Fall sollte eine Oper ohne Untertitel emotional verständlich sein, ohne dass man unbedingt den Text versteht, was ja ohnehin oft schwierig ist, je melismatischer die Musik angelegt ist. Auch das Orchester ist für den Ausdruck sehr wichtig. Wir können es weder hier noch in Großbritannien erwarten, dass das Publikum italienische Libretti versteht.
Sie kommen aus Edinburgh. Hat die Stadt eigentlich eine Oper außerhalb des Sommerfestivals?
Fitzhowle: Es gibt nur ein freies Ensemble, das seine Basis in Glasgow hat und von dort aus mehrere Städte bespielt, auch Edinburgh. Leider ein völlig anderes System als in Deutschland.
Dafür ist die Stadt vielleicht schöner als Magdeburg. Als Sie nach Deutschland kamen, hatten Sie vermutlich ein lachendes und ein weinendes Auge, oder?
Fitzhowle: Das stimmt. Aber Magdeburg kann nichts dafür, es wurde ja dreimal geschliffen, zuletzt 1945. Ich habe mir das alles bei einer Stadtrundfahrt erklären lassen. Das alles blieb Edinburgh erspart. Wir liegen so nördlich, dass es nicht mal die Römer bis zu uns geschafft haben. Sie hatten wohl Angst vor dem Dudelsack, sagen die Schotten.
Sa., 18. Januar 2025 19:30 Uhr
Musiktheater
Bizet: Carmen
Héloïse Mas/Weronika Rabek (Carmen), Amy Ní Fhearraigh (Micaëla), Emilie Renard/Julia Deit Ferrand (Mercédès), Giorgi Mtchedlishvili (Escamillo), Elvire Beekhuizen/Rosha Fitzhowle (Frasquita), Aleksandr Nesterenko (Don José), Chloé Durfresne/Svetoslav Borisov/Christian Øland (Leitung), Julien Chavaz (Regie)
So., 16. Februar 2025 16:00 Uhr
Musiktheater
Bizet: Carmen
Héloïse Mas/Weronika Rabek (Carmen), Amy Ní Fhearraigh (Micaëla), Emilie Renard/Julia Deit Ferrand (Mercédès), Giorgi Mtchedlishvili (Escamillo), Elvire Beekhuizen/Rosha Fitzhowle (Frasquita), Aleksandr Nesterenko (Don José), Chloé Durfresne/Svetoslav Borisov/Christian Øland (Leitung), Julien Chavaz (Regie)
Fr., 21. Februar 2025 19:30 Uhr
Musiktheater
Bizet: Carmen
Héloïse Mas/Weronika Rabek (Carmen), Amy Ní Fhearraigh (Micaëla), Emilie Renard/Julia Deit Ferrand (Mercédès), Giorgi Mtchedlishvili (Escamillo), Elvire Beekhuizen/Rosha Fitzhowle (Frasquita), Aleksandr Nesterenko (Don José), Chloé Durfresne/Svetoslav Borisov/Christian Øland (Leitung), Julien Chavaz (Regie)