Sebastian Knauer hat einen eng getakteten Terminplan in diesem Monat: Es ist Festival-Zeit! Doch der Pianist wird nicht nur am Klavier sitzen, sondern im September auch als Veranstalter tätig sein mit seinem eigenen Festival mozart@augsburg. Zuvor jedoch hat der Hamburger einen besonderen Auftritt in Nordrhein-Westfalen.
Herr Knauer, die kommende Musikfestwoche in Bad Berleburg haben Sie programmatisch mitkonzipiert. Was macht ein waschechter Hamburger mitten im tiefsten Sauerland?
Ich habe zuvor schon zweimal in Bad Berleburg gespielt und mich da in den verwunschenen Ort mit seinem Schloss verguckt. Übrigens wohnt auf dem Schloss Prinzessin Benedikte, die Schwester der dänischen Königin und Witwe des kürzlich verstorbenen Richard zu Sayn-Wittgenstein. In einer Laune nach einem Konzert sagte ich, wie schön ich es hier fände und dass es doch nett wäre, wenn wir gemeinsam ein paar mehr Projekte machen könnten. Als Antwort bekam ich, dass da tatsächlich Bedarf wäre. Die Sache hat sich also eher durch Zufall ergeben.
Sie veranstalten aber auch ein eigenes Mozartfestival in Augsburg – eine Tätigkeit, die nicht gerade viel mit Klavierspielen zu tun hat.
Klar, in erster Linie bin ich noch immer Musiker, also Ausführender. Ich habe aber auch eine Leidenschaft, Dinge zu organisieren. Insofern mache ich beides mit Herzblut. Die Doppelfunktion wiederum ist für mich als Veranstalter von Vorteil, denn ich weiß ja aus eigener Erfahrung, was für Künstler rund um ihren Auftritt wirklich wichtig ist – zum Beispiel, dass man ihnen nicht auf die Nerven geht und trotzdem das Gefühl gibt, dass man für sie allezeit da ist.
Gewissermaßen sind Sie auch Ihr eigener Veranstalter, wie beispielsweise Ihre Projekte „Bach & Sons” oder „Wort trifft Musik” zeigen. Wie viele Ideen müssen Sie verwerfen, bis eine gute dabei ist?
Es stimmt schon: Wenn ich aktiv nach Ideen suche, sind das bisweilen nicht die besten. Oft ist es bei mir eher so, dass mir aus einem Moment heraus plötzlich etwas durch den Kopf schießt, völlig aus dem Nichts!
Sie haben also gar keine Methode, wie Sie auf Programme kommen?
Doch, doch! Bei den „Wort trifft Musik“-Projekten beispielsweise hört das Publikum oft Bekanntes, das aber ganz anders präsentiert wird und allein dadurch etwas ganz Neues darstellt. Viele kennen Beethoven und seine Musik, aber Bettina von Arnim, die Beethoven sehr nahe stand und zu ihm eine innige Freundschaft pflegte, ist wiederum für viele eine Unbekannte. So entstand das Programm „In einem Weltmeer von Harmonie“, in dem wir sie zu Wort kommen und ihr eigenes Leben Revue passieren lassen. Solche Programme können natürlich nur durch intensive Überlegungen entstehen. Aber der der zündende Gedanke entsteht einfach so. Das kann beim Autofahren passieren, beim Fliegen, beim Einschlafen oder auch beim Aufwachen.
Sind Sie bei der Realisierung der Projekte eher Einzelgänger oder Teamplayer?
Da bin ich absoluter Teamplayer! Das war ich schon immer so. Als Kind habe ich Feldhockey gespielt und generell sehr gerne Mannschaftssport gemacht. Dadurch habe ich gelernt, was es heißt, ein Team zu sein: Einerseits kann man auf andere zählen, andererseits muss man selbst mannschaftsdienlich arbeiten.
Und inwiefern sind Sie als Musiker Teamplayer?
Es fängt damit an, dass ich schon als Kind Kammermusik gemacht habe. Mein Lehrer musste mich zwar anfangs dazu zwingen – ich wollte ja Pianist werden, was soll ich mich da mit anderen Instrumentalisten herumschlagen? Aber ich bin ihm sehr dankbar dafür, weil ich gelernt habe, mich schnell auf andere einzustellen und mich selbst auch mal zurückzunehmen.
Und heute?
Wenn ich mit einem Orchester als Solist zusammenspiele, sehe ich mich als Teil der ganzen Truppe. Das beginnt schon damit, dass ich einen möglichst freundschaftlichen Umgang zu den Musikern aus dem Orchester pflege, und zwar allein schon deshalb, weil ich das für meine eigene Sicherheit und mein Wohlbefinden brauche. Schließlich will auch ich für voll genommen werden. Wenn ein Orchester und ich ein Klavierkonzert ohne Dirigenten spielen – bei Bach oder Mozart geht das durchaus – drehe ich mich gerne auch ins Orchester rein, damit wir wirklich zu einer Einheit werden. Aber auch bei einer Solo-Aufnahme ist man als Pianist stets Teil eines Ganzen: Da ist der Techniker, der sich um den Flügel kümmert, da ist der Tonmeister mit seinen Mitarbeitern, der die Noten mitliest und korrigiert, manchmal ist auch ein Kameramann dabei, der das Material für das CD-Cover liefert – und selbst das ist dann nur ein Teil der ganzen Mannschaft.
In Ihre Projekte binden Sie auch gerne Ihre Familie mit ein: Ihr Vater erstellt die Manuskripte für „Wort trifft Musik”, auch Ihr Bruder, ein Modefotograf, hat mal PR- Fotos von Ihnen geschossen, und dann gibt es noch in Hamburg den Klavier Knauer …
… der auf meinen amerikanischen Großcousin zurückgeht! Ich stamme aus einer alten Hamburger Familie, deren Familiengründer Kaufmann war – typisch Hamburg eben!
Aber Sie sind der erste Berufsmusiker in der Familie, oder?
Im Prinzip gab es keinen vor mir, das ist richtig.
Warum sind Sie eigentlich nie komplett aus Hamburg weggezogen?
Es hat sich einfach nicht ergeben, außerdem war ich schon immer sehr Hamburg-affin. Ich wollte in Hannover bei Karl-Heinz Kämmerling studieren, so dass ich als Student das Glück hatte, nicht allzu weit weg zu wohnen. Eine Zeitlang habe ich privat in Paris studiert, bin aber immer wieder hierher zurückgekommen. Ich fühle mich hier eben am wohlsten. Das ist meine Stadt, hier ist meine Familie. Auch fern der Heimat brauche ich gewisse Gegebenheiten, um mich wohlzufühlen. Wenn ich ein Hotel öfter beziehe, versuche ich stets dasselbe Zimmer zu bekommen. Außerdem war rein aus der beruflichen Perspektive heraus nie die Notwendigkeit gegeben, in eine andere Stadt zu ziehen.
Also das klassische Luxusproblem der Großstädter, die alle Möglichkeiten zur Entfaltung vor der Haustüre haben …
In gewisser Weise ist das so, ja. Es hat aber auch mit der heutigen Zeit zu tun.
Inwiefern?
Zum Beispiel mein Festival mozart@augsburg: Natürlich habe ich vor Ort ein Büro und habe auch meine Zeiten, in denen ich vor Ort bin und auch vor Ort sein muss. Aber ein Großteil des Organisatorischen lässt sich per E-Mail und Telefon erledigen, da muss ich nicht mehr unbedingt in Augsburg sein. Auch meine persönliche Managerin sitzt übrigens in Berlin und nicht in Hamburg. Es ist schon erstaunlich, wie gut und wie eng man auch bei räumlicher Distanz zusammenarbeiten kann – für Heimatverbundene wie mich ein großes Glück!
Sebastian Knauer im Studio: