Opern-Kritiken
Lesen Sie Opernkritiken von aktuellen Premieren, Uraufführungen und Saisonhighlights aus Deutschland und europäischen Metropolen verfasst von Experten.
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Der Ungeliebte
(Berlin, 15.12.2023) Donizettis Werkkosmos des Belcanto will mit höherer Spannung und Affekten gefüllt sein. Dies gelingt an der Deutschen Oper Berlin immerhin teilweise. David Alden baut ästhetische Bilder von figurativer Klarheit. Enrique Mazzola weckt in der Sinfonia ganz hohe Erwartungen, die er später nicht vollends einlöst.
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Wien ohne Schmäh
(Genf, 13.12.2023) Als Schauspieler ist Christoph Waltz ein Weltstar, seinen ersten Ausflug in die Welt der Oper wagte er vor zehn Jahren – damals noch mit mäßigem Erfolg als Opernregisseur. Das ist nun anders. Dirigent Jonathan Nott und die famosen Sänger haben daran großen Anteil.
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Auf der Suche nach dem richtigen Wort
(Bonn, 10.12.2023): Die Oper in Bonn präsentiert mit Arnold Schönbergs Fragment „Moses und Aron“ einen Höhepunkt ihrer ambitioniert programmatischen Reihe „Fokus ’33“.
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Wo Komik über den Erfolg entscheidet
(Kiel, 9.12.2023) Die musikalische Komödie gilt zu Recht in der Umsetzung als die anspruchsvollere Gattung neben dem tragischen Pendant. Das trifft auch auf Verdis finales Werk „Falstaff“ zu, mit dem Regisseurin Luise Kautz die vorweihnachtliche Kälte des Nordens zu erwärmen sucht.
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Blutjunges Nationalballett über ewige Liebe
(Lviv, 3.12.2023) Die Ballett-Kantate über eine im slawischen Raum sehr bekannte romantische Liebesnovelle ist das selbstbewusste Manifest einer eigenständigen Kultur und demonstriert im westukrainischen Lemberg entschieden die Befreiung von russischen Tanz-Traditionen.
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Opernliebe im Konjunktiv
(Düsseldorf, 3.12.2023) Wo liegt der Ich-Kern des Seins jenseits von gesellschaftlichen Rollen? Meisterkomponist Manfred Trojahn denkt Henry James‘ Novelle in seiner Uraufführung zu einer selbstkritischen Befragung der Egozentrik des schöpferischen Menschen weiter.
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Pauls Freund Dr. Freud
(Oldenburg, 2.12.2023) Regisseur Christoph von Bernuth legt Korngolds Protagonisten Paul mit Erfolg auf die Coach der Traumdeutung. Generalmusikdirektor Hendrik Vestmann entfacht einen dazu perfekt passenden, freilich nie sentimentalen Klangrausch in den gewaltigen Dimensionen von Wagner und Strauss.
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Volle Breitseite
(Mainz, 25.11.2023) Die durch und durch britische Operette des Duos Gilbert und Sullivan zählt zu den anarchisch-irrwitzigsten Hervorbringungen des Genres überhaupt. Entschlossen bedient Regisseur K.D. Schmidt sämtliche Klischees, die das Stück hergibt. Vom Pult aus legt sich Samuel Hogarth für seine britischen Landsleute ins Zeug.
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Ausdrucksvolle Klänge treffen fahrlässige Oberflächenreize
(Berlin/Hamburg, 19./21.11.2023) Die Neuinszenierung von Marc-Antoine Charpentiers „Médée“ an der Staatsoper Unter den Linden lohnt sich wegen der musikalischen Umsetzung. Das Bühnengeschehen, das Stararchitekt Frank Gehry und Regisseur Peter Sellars verantworten, erweist sich dagegen als belanglos und wenig reflektiert. Beim Gastspiel in der Elbphilharmonie kommen indes die musikalischen Stärken vollends…
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Die Launen des Lebens
(Chemnitz, 18.11.2023) Bedeutende Ausgrabung: Die Chemnitzer Oper wagt sich an Bohuslav Martinůs Filmoper, für die Regisseurin Rahel Thiel eindrückliche Bilder findet, die in einer Halbwelt zwischen Fiktion und Realität das Traumwandlerische ihrer Protagonisten zeigen.
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Nicht auf Teufel komm raus
(Lübeck, 17.11.2023) So geht es auch: Statt unnötiger Metaebenen und unverständlicher Symbolik bleibt Regisseur Kasper Wilton mit gut durchdachten Bildern nah am berühmten Goethe-Stoff. Das Philharmonisches Orchester der Hansestadt Lübeck beeindruckt so sehr wie das Ensemble.
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Sportiv und virtuos
(Leipzig, 17.11.2023) Ballettchef Mario Schröder lässt in seiner kühlen choreographischen Uraufführung der Musik von Joseph Haydn und David Lang bedeutenden Raum – da dominieren die Personalmassen der exquisit einstudierten Chören mitunter das Leipziger Ballett.
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Die Götter feiern Karneval
(Dortmund, 11.11.2023) Regisseur Nikolaus Habjan setzt jene von Esprit und Mutwillen überbordende Vitalität frei, deren die Offenbachiade unbedingt bedarf. Kapellmeister Motonori Kobayashi und die Dortmunder Philharmoniker lassen sich aus dem Swimmingpool-Orchestergraben im Höllentempo vernehmen.
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Vampirisches Vergnügen
(Halle, 11.11.2023) Der neue Dramaturg und Hausregisseur Patric Seibert emanzipiert sich erfolgreich von seinem einstigen Chef Frank Castorf und legt eine bissfeste Operettensause hin. GMD Fabrice Bollon behauptet sich gegen den opulenten Ausstattungswucher weitgehend erfolgreich und wird zum noblen Mittelpunkt des Abends.
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Die Party zum Weltuntergang
(Frankfurt am Main, 5.11.2023) In György Ligetis 1978 uraufgeführter, wunderbar frisch gebliebener Anti-Anti-Oper zündet der russische Regisseur Vasiliy Barkhatov ein Feuerwerk an Opulenz.
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Wenn Pferde Hüte fressen
(Basel, 4.11.2023) Herbert Grönemeyer und Herbert Fritsch machen sich gemeinsam über einen Boulevard-Klassiker her.
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Happy Birthday, Mr. Herodes!
(Hamburg, 29.10.2023) Dmitri Tcherniakov und Kent Nagano verständigen sich auf eine präzise ausgearbeitete Strauss-Lesart des bitterbösen schönen Scheins und bescheren der Staatsoper nach ihrer grandiosen gemeinsamen „Elektra“ nun erneut einen Triumph. Die Besetzung der Salome mit Asmik Grigorian beschert dem Haus an der Dammtorstraße eine sängerische Sensation.
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Cannabis, Sex, Neonröhren
(München, 30.10.2023) Die Mozart-Neuinszenierung des aus Kasachstan stammenden Regisseurs Evgeny Titov stellt menschliche Motorik vor emotionale Einmaligkeit – und wird zur Premiere frenetisch beklatscht. Stefano Montanari steuert mit dem präzise wie erregend spielenden Bayerischen Staatsorchester Feinschliff, Brio und Brillanz auf höchstem Niveau bei.
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Wohltemperiert und freundlich
(Leipzig, 28.10.2023) Matthias Davids, designierter Regiedebütant in Bayreuth, inszeniert politisch korrekt, aber frei von Dialektik. Jonathan Darlington verströmt mit dem Gewandhausorchester Alte-Musik-Lockerheit.
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Einfach magisch
(Genf, 27.10.2023) Die Zutaten aus der Zauberkiste des Daniele Finzi Pasca wirken Wunder, um Ástor Piazzollas „Tango operita“ jenseits der Klischees der Bars und Bordelle von Buones Aires in ein zeitloses Gesamtkunstwerk von unglaublicher Schönheit zu transformieren.