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Konzert-Kritik: Finalkonzert des Deutschen Preises für Chordirigieren

Chorleiter-Gen entdeckt

(Berlin, 12.10.2024) In der Berliner Elisabeth-Kirche dirigierten drei Stipendiaten des Musikrats um die Wette.

vonJakob Buhre,

Wer in das Förderprogramm des Forum Dirigieren aufgenommen wird, erhält vom Deutschen Musikrat intensive Unterstützung. Etwa Meisterkurse mit professionellen Ensembles, Vermittlung von Assistenzen und Engagements – und nach mehrjähriger Begleitung die Chance auf den mit 5000 Euro dotierten Deutschen Preis für Chordirigieren, welcher nun in der Berliner Elisabeth-Kirche vergeben wurde. Hier brachten am 12. Oktober drei Finalisten zum Hören, was sie in einer Probenwoche mit dem RIAS Kammerchor erarbeitet hatten. 

Um die jeweils 20-minütigen Darbietungen vergleichbar zu machen, standen für alle gleichermaßen Heinrich Schütz, Anton Bruckner, Einojuhani Rautavaara und der englische Komponist Gerald Finzi auf dem Programm, sowie ein individuell vom Finalisten ausgewähltes Stück. Dass der Chor zu den besten Ensembles in seiner Liga gehört, stellte er klanglich bei allen drei Kandidaten unter Beweis. Spannend war an diesem Abend die Frage, wie Dirigenten dieses Potenzial des Klangkörpers unterschiedlich ausschöpfen.

Publikumspreis für Lukas Siebert

Lucia Birzer, die in Weimar bereits ein Kammerorchester gegründet hat und jüngst als Chordirektorin und Kapellmeisterin ans Theater Regensburg berufen wurde, wirkt zum Auftakt des Abends sehr routiniert. Ihr Dirigat ist klar, doch dem Chor gegenüber zu wenig fordernd – und angesichts der unterschiedlichen Epochen zu gleichförmig, weshalb sie im Pflichtteil nur wenig Akzente setzen kann. Erst bei ihrem Wahlstück „Hear my prayer, O Lord“ von Henry Purcell ist Birzer gelöster und kann ihre Leidenschaft auf die Sängerinnen und Sänger hörbar übertragen.

Glückliche Finalisten (mitte), zufriedene Jury: Der Deutsche Preis für Chordirigieren wurde bereits zum sechsten Mal vergeben
Glückliche Finalisten (mitte), zufriedene Jury: Der Deutsche Preis für Chordirigieren wurde bereits zum sechsten Mal vergeben

Dem Finalisten Lukas Siebert gelingt dies vom ersten Takt an. Das Repertoire des heutigen Abends dirigiert der Student der Frankfurter Musikhochschule auswendig und auch den Chor scheint er in den Proben gut vorbereitet zu haben. Denn jetzt reagieren die Musiker schon auf minimale Handbewegungen des Dirigenten. Als Tenorsolist mit Engagements an der Bayerischen Staatsoper oder dem Staatstheater Kassel weiß Siebert Mimik und Körpersprache sehr effektiv einzusetzen. Sowohl das Schütz-Madrigal „Tornate, o cari baci“ als auch Rautavaaras „Ein Gott vermags“ werden unter seiner Leitung zu spannenden Erzählungen. Er kostet die Dramatik von Bruckners „Christus factus est“ voll aus und holt das Publikum schließlich mit Clara Schumanns lieblicher „Gondoliera“ ab – am Ende votieren die Zuhörer in der vollbesetzten Elisabeth-Kirche für Siebert, der somit den Publikumspreis erhält.

Innig und schwungvoll bis in die Fingerspitzen

Die professionelle Jury, welche aus Pädagogen, Chorleitern, Journalisten und dem Chor selbst besteht und auch die Probenarbeit bewertet, konnte dagegen Katharina Morin für sich gewinnen. Auch sie ist noch im Studium an der Hochschule für Musik in München, stand aber bereits beim WDR Rundfunkchor und dem Opernchor Stuttgart am Pult. Innig und schwungvoll bis in die Fingerspitzen führt sie den RIAS Kammerchor vom sanften Pianissimo zum wuchtigen Forte, kreiert unterschiedlichste Farben sowie dramaturgische Bögen und setzt der etwas trockenen Akustik wunderbaren Nachklang entgegen. Ihr Wahlstück, das geheimnisvolle „Liebes-Lied“ von Wolfram Buchenberg (*1962), ist eine echte Entdeckung und die Schlusstakte von Bruckners „Virga jesse floruit“ unter Morins Leitung wohl einer der berührendsten Momente dieses Konzerts. Die Gewinnerin besitze offenbar ein „Chorleiter-Gen“, formulierte es der Jury-Vorsitzende Florian Helgath bei der anschließenden Preisverleihung.

Lukas Siebert erhält den Publikumspreis
Lukas Siebert erhält den Publikumspreis

Davon überzeugen kann man sich jetzt auf Youtube, wo das Konzert in bester Audio- und Videoqualität festgehalten wurde, sowie im Deutschlandfunk, der den Mitschnitt des Konzerts am 20. Oktober um 20:03 Uhr sendet.

Sehen Sie hier das Finalkonzert des Deutschen Preises für Chordirigieren in voller Länge:

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