Dass Musik Differenzen überbrücken kann, war Daniel Barenboim schon immer klar. Der hochbegabte Junge, der seine ersten zehn Jahre in Argentinien zubrachte, ehe er mit seinen Eltern 1952 nach Israel zog, hatte schon früh namhafte Förderer. Mit elf Jahren lernte er bei Igor Markevitch in Salzburg und fand in Wilhelm Furtwängler einen frühen Verehrer. Im Jugendalter studierte er Komposition bei Nadia Boulanger in Paris und startete fortan seine weltweite Karriere als Pianist und Dirigent. 1999 wagte Barenboim einen weiteren Schritt nach vorne und gründete gemeinsam mit Edward W. Said das West-Eastern Divan Orchestra in Weimar. Das Ziel sollte sein, Ignoranz durch Bildung, Wissen und Verständnis zu ersetzen, eine neue Menschlichkeit untereinander zu finden und gemeinsam eine bessere Zukunft zu schaffen – durch Musik.
Konzertreisen führen den Klangkörper in die ganze Welt, und der Zusammenhalt der jungen Künstler auch abseits des Podiums sucht seinesgleichen. Sie alle stammen aus Nationen des Nahen Ostens und Nordafrika, aus Ländern also, die von wechselseitigem Misstrauen geprägt sind. So international wie das Orchester ist sein Maestro selbst. Der Israeli und Argentinier mit russischen Wurzeln hat seit 2008 auch die palästinensische Ehrenstaatsbürgerschaft. Darüber hinaus spricht Barenboim sieben Sprachen und hat mit Berlin, Paris und Mailand gleich drei weitere Heimaten gefunden. Die Arbeit des West-Eastern Divan Orchestra führte 2015 schließlich zur Gründung der Barenboim-Said Akademie, wo die Studenten nicht nur lernen sollen, Musik zu spielen, sondern auch Musik zu denken.
Das West-Eastern Divan Orchestra feiert in Berlin
Zwei Jahre später wurde in Berlin der Pierre Boulez Saal eröffnet. Hier soll das Publikum neben der künstlerischen Seite vor allem den kulturellen, humanistischen und historischen Seiten der Musik begegnen. Anstelle von bloßer Konfrontation setzt der Saal auf eine Wechselwirkung von Architektur, musikalischer Sinneserfahrung und persönlicher Reflexion. Drei Institutionen, vereint in ihrer Mission, die Musik zu einer Botin des Humanismus und der transkulturellen Verständigung zu machen. Seit der Gründung des West-Eastern Divan Orchestra sind mittlerweile zwanzig Jahre vergangen. Gemeinsam mit Anne-Sophie Mutter und Yo-Yo Ma feiert das Ensemble unter der Leitung ihres Gründervaters das Jubiläum mit Beethovens Tripelkonzert und Bruckners unvollendeter Neunter, die er einst „dem lieben Gott“ gewidmet haben soll. Der jugendliche Elan, den Barenboim und vor allem die Musiker auf die Bühne bringen, zeugt davon, dass noch lange kein Ende in Sicht ist.