Wohl jeder, der das Kunstlied schätzt, kennt die klagend vorgetragen Zeilen: „Drüben hinterm Dorfe / Steht ein Leiermann“. Mit ihnen beginnt das letzte Lied aus Franz Schuberts „Winterreise“. Der österreichische Musiker Matthias Loibner hat mit diesen Zeilen ernst gemacht. Denn seit über zwanzig Jahren hat er sich, obwohl er zuerst Klavier, Gitarre und Posaune erlernte und in Graz Komposition studierte, auf die Drehleier konzentriert. Dieses nicht gerade populäre und als halbwegs skurril geltende Instrument hatte es ihm dermaßen angetan, dass er sich anfangs ganz vom reinen Klassik- und Jazzbetrieb verabschiedete. Stattdessen begann er, das Repertoire für die Drehleier zu erweitern und ihre musikalischen Möglichkeiten auszudehnen.
Loibner beschäftigte sich mit Volksmusik ebenso wie mit Barockmusik, ließ sich von traditioneller Musik, ob aus dem Balkan oder Afrika, inspirieren. Wichtig waren ihm dabei immer die Durchlässigkeit der üblichen Genregrenzen und die Lust an neuen emotionalen Klangfeldern. Er suchte sich ähnlich risikofreudige Regisseure wie Ernst M. Binder oder Dimiter Gotscheff für ungewöhnliche Theaterprojekte, arbeitete mit dem Folk-Querdenker Deishovida, dem paneuropäischen Sandy Lopicic Orkestar, der Jazzbigband Graz, dem avantgardistischen Trompeter Franz Hautzinger und dem Ensemble Baroque de Limoges zusammen.
Matthias Loibner – der „Jimi Hendrix der Drehleier“
Seine künstlerische Haltung umriss er einmal so: „Ich mag es, wenn Stile ineinanderfließen. Es soll nach etwas eigenem klingen, nicht konkret nach Balkan oder Jazz oder Barock. Ich finde es uninteressant zu demonstrieren, was auf der Drehleier alles möglich ist, vielmehr möchte ich etwas von mir und meiner Geschichte mit anderen teilen.“ So wurde er zum wohl vielseitigsten und meistbeschäftigten Drehleierspieler der Welt.
Es heißt, dass er wegen seines expressiven, improvisatorischen Spiels sogar den Beinamen „Jimi Hendrix der Drehleier“ bekommen hat. Er wird’s mit Fassung tragen und weiter seinen ungewöhnlichen Weg zwischen den Stilen und Szenen gehen. Loibner spielte übrigens als erster Joseph Haydns Kompositionen für Orgelleier ein. In der Elbphilharmonie wird Nataša Mirković die „Winterreise“ singen, von Loibner auf der Drehleier begleitet.
Nataša Mirković und Matthias Loibner mit Schuberts „Winterreise“:
concerti-Tipp:
Winterreisen
Mi. 7.2., 19:30 Uhr
Mit: Matthias Loibner, Nataša Mirkovic
Ort: Hamburg, Elbphilharmonie (Kleiner Saal)