Bevor Professor Christoph Schoener zum Jahreswechsel seinen Ruhestand antritt, wird er in der Hauptkirche St. Michaelis seine letzten beiden Passionen dirigieren. Mit Bachs Matthäus-Passion, die im Michel traditionell am Palmsonntag aufgeführt wird, hatte er 1998 das Amt als Kirchenmusikdirektor angetreten und mit der Adaption historischer Aufführungspraxis beim Chor wie auch bei der Presse für Widerstand gesorgt. Letztlich waren das alles außermusikalische Gründe: „Ich glaube, ich mache einen total normalen, unaufgeregten Bach, der sich in den Dienst der Botschaft stellt.“ Es ist Schoeners Anspruch, der Musik mit Respekt zu begegnen. Extreme Experimente mit Tempi, die andere suchen, um interessant zu klingen, sind seine Sache nicht. Schoener erklärt: „Ich setze mich nicht ein Jahr hin und überlege: Diesen Choral könntest du nächstes Mal forte beginnen statt piano.“
Aber natürlich hat sich sein Bach im Laufe der Jahre auch verändert. Ein Wandel, den er nicht forciere. Der sei der Zusammenarbeit mit den wechselnden Solisten geschuldet, denen er jeweils entgegenkomme. Das Konzert wird auf NDR Kultur live im Radio übertragen, und Schoener findet: „Solange immer noch Leute danach auf mich zu kommen, um mir zusagen, so schön sei uns die Matthäus-Passion noch nie geglückt, kann ich sie auch noch machen.“
Für Christoph Schoener darf Telemann in Hamburg nicht fehlen
Für Karfreitag hat Schoener ganz bewusst Telemanns „Brockes-Passion“ ausgewählt. Das Oratorium wurde zwar 1716 in Frankfurt am Main uraufgeführt, den Komponisten verschlug es aber bekanntermaßen 1721 nach Hamburg. Hier schrieb er Musikgeschichte und blieb bis zu seinem Tod im Jahr 1767. In einer leicht gekürzten Fassung, die Schoener bereits 2017 für Telemanns 250. Todesjahr erstellt hat, erklingt dieses selten aufgeführte Werk nun erneut. Schoener sagt, dass er für die Pflege dieses Erbes in Kauf nehme, nicht in einer bis auf den letzten Platz besetzten Kirche zu spielen: „In meinen Augen ist Telemanns ,Brockes-Passion‘ bedeutender, als die Leute denken. Und in Hamburg muss man sie einfach aufführen.“ Er schätze die besonderen Klangfarben, die sich aus dem wechselnden Zusammenspiel der Besetzung, etwa von Blockflöten, Traversflöten, Hörner und Trompeten, ergeben.