Startseite » Multimedia » „Leider enthält er keine Musik“

Radio-Tipp 9.12.: 90 Jahre „Boléro“

„Leider enthält er keine Musik“

Die Uraufführung von Maurice Ravels „Boléro“ war zwar kein Skandal im klassischen Sinne, so richtig wusste das Publikum aber doch nicht, wie es auf die 15 Minuten vermeintlicher Monotonie reagieren soll.

vonIrem Çatı,

Fünfzehn Minuten lang der immer gleiche Rhythmus, die immer selbe Tonart, abgewechselt von nur zwei Melodien. Kein Wunder, dass eine Dame nach der Uraufführung von Maurice Ravels „Boléro“ am 22. Dezember 1928 dem Komponisten vorgeworfen haben soll, er sei ja verrückt. Der nahm es gelassen und antwortete, dass sie die Einzige sei, die das Stück verstanden hätte. Denn wirklich überzeugt war Ravel nie von seinem heute bekanntesten Werk. So sagte er zu seinem Kollegen Arthur Honegger: „Ich habe nur ein Meisterwerk gemacht, das ist der Boléro; leider enthält er keine Musik.“

Nichts wird passieren

Zu Ausschreitungen wie bei der Uraufführung von Strawinskys „Le sacre du printemps“ kam es glücklicherweise nicht. Im Gegenteil: Das von Ravel ursprünglich als Ballettmusik für die Tänzerin Ida Rubinstein komponierte Werk erfreute sich trotz der kritischen Stimmen seit seiner Uraufführung in Paris großer Beliebtheit und zählt heute zu den am häufigsten gespielten Orchesterwerken weltweit. Ein genauerer Blick zeigt, dass das Stück gar nicht so monoton ist, wie man im ersten Moment vermutet. Die beiden Melodien, die zunächst nur von einzelnen Stimmen aufgenommen werden, sind so raffiniert und präzise ausgearbeitet, dass man kaum mitbekommt, wie sie in einem einzigen großen Crescendo bis zum Ende des Stücks anschwellen.

Ravel indes warnte das Publikum bereits im Programm, dass musikalisch nichts passieren würde. Diejenigen, die Virtuosität, Abwechslung, überraschende Wendungen oder gar Romantik erwartet hatten, sind ganz klar nicht auf ihre Kosten gekommen. Dabei konnte Ravel das alles eigentlich, wie sich besonders im häufig gehörten Streichquartett F-Dur oder den „Miroirs“ zeigt.

„Boléro“ inspiriert bis heute

Forscher aus Paris wollen inzwischen herausgefunden haben, dass der Zerfall Ravels linker Gehirnhälfte bereits zur Zeit seiner Arbeit am „Boléro“ begonnen und der Komponist deshalb ein solch absurdes Werk komponiert habe. Andererseits wurde das Stück bereits von Dirigenten wie Herbert von Karajan, Pierre Boulez, Daniel Barenboim und Sergiu Celibidache interpretiert.

In seiner Sendung „Kaisers Klänge“ nimmt der hr2-Moderator Niels Kaiser die Zuhörer noch einmal mit ins Jahr 1928 und reflektiert, wie inspirierend der „Boléro“ für viele Künstler war – und bis heute ist.

Gustavo Dudamel und die Wiener Philharmoniker spielen den „Boléro“:

https://youtu.be/mhhkGyJ092E

concerti-Tipp:

Kaisers Klänge
Noch immer voll im Takt – 90 Jahre Boléro
9.12.2018, 17:04 Uhr
hr2

Auch interessant

Rezensionen

Newsletter

Jeden Donnerstag in Ihrem Postfach: frische Klassik!