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Friedrich Gulda und das Clavichord

„Mogst di hab’n?“

Ende der siebziger Jahre ließ der Pianist Friedrich Gulda keine Gelegenheit ungenutzt, sein Clavichordspiel auf Tonband aufzuzeichnen. Die einzigartigen Aufnahmen porträtieren ein Instrument, das heute ein Schattendasein fristet

vonJohann Buddecke,

Es ist klein und leise, dafür aber mit einem unverwechselbaren Klang ausgestattet: das Clavichord. Seine Konstruktion macht es für Auftritte vor Publikum fast ungeeignet, auch das Zusammenspiel mit anderen Instrumenten ist kaum möglich, zu zart ist der Klang des zu den Chordofonen, also den sogenannten „Saitenklingern“ gehörenden Tasteninstruments. Doch all diese beim ersten Eindruck wenig für das Instrument sprechenden Tatsachen stehen einem äußerst effektvollen Klang gegenüber, der sogar im Vergleich mit dem moderner Tasteninstrumente in spielerischer Hinsicht überlegen ist.

Ein wahrer Liebhaber des Instruments war der Pianist Friedrich Gulda, der sich in den siebziger Jahren intensiv mit dem Clavichord auseinandersetzte, um die Tastenwerke von Johann Sebastian Bach zu interpretieren und im Originalklang wiederzugeben. Zur Selbstkontrolle nahm Gulda sich auf Tonband auf und schenkte die Aufnahmen später seinem Schüler Thomas Knapp. „Mogst di hab’n?“ soll die kurze Frage gelautet haben, ohne die jene Aufnahmen heute wahrscheinlich für immer verschollen wären. Knapp nahm damals die Bänder seines berühmten Lehrers an sich, heute erscheinen die restaurierten Aufnahmen beim Label Berlin Classics.

Gulda porträtiert eines fast vergessenen Instrument

Enthalten sind ausgewählte Werke des „Wohltemperierten Klaviers“, die „Chromatische Fantasie und Fuge“ sowie die „Englische Suite Nr. 2“, allesamt von Gulda eigenhändig mit rudimentärer Aufnahmetechnik im privaten Rahmen oder bei kleinen (Privat-)Konzerten aufgezeichnet. Nach einem aufwendigen Aufarbeitungsprozess der über vierzig Jahre alten Bänder porträtieren die Einspielungen nicht nur die tiefe Verbundenheit Guldas mit der Musik Bachs, sondern auch das Instrument selbst, das mittlerweile fast nur noch ein Schattendasein fristet. So ist es ein Leichtes herauszuhören, dass jenes Instrument eine enorm präzise Spieltechnik voraussetzt, allein schon aufgrund des direkten Kontakts des Spielers zu den Saiten des Instruments. 

Einzigartige Klangerzeugung

Die Klangerzeugung des Clavichords erfolgt nämlich über schmale Metallplättchen (sogenannte „Tangenten“), die direkt mit den Tasten verbunden sind und die Saiten anschlagen. Selbige Mechanik ermöglicht es, den Ton auch noch nach dem Betätigen der Taste zu beeinflussen, sodass bei leichtem Wippen mit dem Fingers ein Vibrato entsteht – ein Alleinstellungsmerkmal unter allen Tasteninstrumenten. Diese feinen artikulatorischen Mittel machte sich Gulda hörbar zunutze und erweckte damit vielleicht die Musik in der Weise wieder zum Leben, wie sie der große Bach einst selbst im Privaten Rahmen musizierte, war doch das Clavichord neben der Orgel das bevorzugte Instrument des barocken Meisters.

Album Cover für
Clavichord (The Mono Tapes)
Friedrich Gulda (Clavichord)
Berlin Classics

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