Mit Beethovens Neunter, einer Uraufführung und stehenden Ovationen feierte die Württembergische Philharmonie Reutlingen ihr 75. Jubiläum. Angefangen hat alles nur wenige Wochen nach Ende des Zweiten Weltkriegs. Reutlinger Bürger wollten inmitten der Kriegsruinen von 1945 ein starkes Zeichen gegen die Zerstörung und für die Zivilisation setzen. Das Elend und der Hunger der Überlebenden waren groß, doch ebenso groß war der Hunger nach Kultur. Und so entstand das Orchester in dem Bewusstsein, dass Kultur und Musik ein notwendiges menschliches Grundbedürfnis sind.
Botschafter der Musik
Chefdirigent Fawzi Haimor, ein Amerikaner mit arabischen Wurzeln, sieht es als seine Mission, nicht nur zu dirigieren, sondern zugleich Botschafter der Musik zu sein. Zum Jubiläum vergab er einen Kompositionsauftrag an Kareem Roustom. In seinem Werk „Ice, Wind, War & Spring“ für gemischten Chor und Orchester hat der syrisch-amerikanische Komponist Gedichte von Walt Whitman und Rainer Maria Rilke zu einem hoffnungsvollen Werk verarbeitet, das in Beziehung zu Beethovens neunter Sinfonie steht.
Einfühlsam und farbenprächtig interpretiert Fawzi Haimor die komplexe Partitur, die sich dem Thema Aussöhnung widmet. Immer wieder erinnert das Werk an den atmosphärischen Stil Benjamin Brittens sowie die Polyphonie im 16. Jahrhundert, die mit den zugrundeliegenden Texten von französischen Hugenotten und Überlebenden der Kriege und Glaubenskonflikte um 1572 korrespondiert.
concerti-Tipp:
Sa. 25.1., 20:03 Uhr
SWR2
Württembergische Philharmonie Reutlingen, Chor der Musikhochschule Trossingen, Camerata Serena, Polina Pastirchak (Sopran), Hermine May (Mezzosopran), Ray M. Wade jun, (Tenor), David Jerusalem (Bass), Fawzi Haimor (Leitung)
Roustoum: Ice, Wind, War & Spring & Beethoven: Sinfonie Nr. 9 d-Moll op. 125 Aufzeichnung des Jubiläumskonzerts vom 12. Januar 2020 in der Stadthalle Reutlingen