Wolfgang Amadeus, Dmitri, Frédéric, Felix: Die passenden Nachnamen sind in der Musikwelt schnell gefunden. Aber Lili, Fanny, Emilie, Mel? Auf den Spielplänen findet man sie – wenn überhaupt – ganz selten. Partituren, Fachliteratur? Mangelware. „Es hat in der Musikgeschichte sehr viele hervorragende Komponistinnen gegeben, und das ist ganz einfach viel zu wenig bekannt“, sagt Kyra Steckeweh. Diese Tatsache veranlasste die Leipziger Pianistin zum Film „Komponistinnen“, in dem sie die historischen und persönlichen Umstände beleuchtet, unter denen Frauen im 19. und frühen 20. Jahrhundert komponiert haben. Konkret spürte sie dabei dem Leben und Wirken von vier Komponistinnen nach, von denen der Mädchenname zumindest einer geläufig sein dürfte: Fanny Hensel, geborene Mendelssohn.
Das Verbot
Im Elternhaus von Fanny, der älteren Schwester von Felix Mendelssohn, herrschte reges Treiben. Bei den von ihr und ihrem Bruder initiierten „Sonntagsmusiken“ im Gartensaal trafen sich Musiker, Künstler und die feine Berliner Gesellschaft. Die hochbegabte Musikerin begeisterte mit ihrem Klavierspiel und eigenen Kompositionen. Trotzdem: Vater wie Bruder untersagten ihr, als Pianistin Geld zu verdienen und eigene Werke zu publizieren. „Die Musik wird für ihn (Felix) vielleicht Beruf, während sie für Dich stets nur Zierde, niemals Grundbass Deines Seins und Tuns werden kann und soll“, äußerte ihr Vater. Zum Glück fand sie in ihrem Ehemann, dem Maler Wilhelm Hensel, einen Unterstützer mit liberalem Geist. Wäre er nicht gewesen, hätten wir vielleicht nie erfahren, dass diese Frau über fünfhundert Werke zu Papier brachte und einige davon auch veröffentlichte.
Rare Handschriften
Mag die Geschichte und das künstlerische Schaffen einer Fanny Hensel noch einigermaßen bekannt sein: Bei anderen Namen stellt sich die Quellenlage dramatisch anders dar. Kyra Steckeweh, die sich für ihre Dokumentation „Komponistinnen“ mit dem versierten Filmemacher und Autor Tim van Beveren zusammentat, musste tief graben. Neben Fanny Hensel blickt der Film auch auf Lili Boulanger, Emilie Mayer und Mel Bonis. Letztere hat einen umfangreichen Nachlass hinterlassen, der sich im Privatbesitz ihrer Urenkelin befindet. „Wir haben sie zuhause besucht, und ich konnte in den Notenmanuskripten blättern“, so Steckeweh. „Damit hatte ich nicht gerechnet, denn bei allen anderen Komponistinnen war es sehr schwer, an die Original-Handschriften zu kommen. Es ist etwas völlig anderes, wenn man ein Manuskript in den Händen hält, als wenn man es in digitalisierter Form am Bildschirm betrachtet.“
Nach dem Film „Komponistinnen“ kommt noch was
Um ihre Dokumentation zu bewerben und weitere Materialien zu sammeln, haben die Filmemacher die Website komponistinnen.com veröffentlicht. „Tatsächlich planen wir, weitere Komponistinnen filmisch zu portraitieren“, verrät Steckeweh. „Dafür suchen wir derzeit Unterstützung. Es gibt einfach endlosen Nachholbedarf bei diesem Thema.“
Sehen Sie hier den Teaser zu „Komponistinnen“ von Kyra Steckeweh & Tim van Beveren:
concerti-Tipp:
„Komponistinnen“ – Ein Film von Kyra Steckeweh & Tim van Beveren
Deutscher Kinostart: 5. November 2018