Sechs Eier, zwei Flaschen Speiseöl, Kerzen – bis hierher ist die Einkaufsliste noch unverdächtig. Doch zwei Männerunterhemden, vier Rollen Klebestreifen, Lampenöl sowie eine Tüte Hühnerherzen? Das kann doch nicht mit rechten Dingen zugehen! Tut es auch nicht. Denn die Mittzwanzigerin, deren Leben so verödet ist wie die postindustrielle Tristesse, in der sie lebt, hat damit etwas vor: Sie möchte ein magisches Ritual vollziehen, das die quälende Langeweile vertreiben soll.
Dora, so der Name der jungen Erwachsenen, die nolens volens noch immer bei ihren Eltern lebt, schafft es denn auch: Auf einer Brache unweit ihrer Siedlung wirkt der Zauber, der Teufel erscheint, und zwar in der Gestalt eines Beamten. Der macht sich gleich auf ins Landratsamt und treibt sein Spiel mit dem Sekretär Berthold, der sich noch immer an der Erinnerung an jenen flüchtigen Kuss labt, den ihm Dora einst geschenkt oder vielleicht auch nur aus purem Mitleid als Zärtlichkeitsalmosen gespendet hat. Doras unerwiderte Liebe oder vielmehr der Teufel treiben den armen Tropf in den Suizidversuch, und das Drama der Vorstadtödnis findet seinen Höhepunkt.
Im März feierte Bernhard Langs Auftragskomposition der Staatsoper Stuttgart ihre Uraufführung. Die Musik ist vor allem rhythmusgetrieben und mit Loops versehen, die die unerträgliche Wiederholung des Immergleichen in Doras Leben spürbar machen. Die umjubelte Oper, bei der sich Wort und Musik so intensiv wie selten gegenseitig vorantreiben, ist nun auch für einige Tage in den heimischen vier Wänden erlebbar.
concerti-Tipp:
Lange: Dora
9. bis 15. Mai 2024
Stream zu finden unter: staatsoper-stuttgart.de