Nahezu die letzten zehn Jahre seines Lebens arbeitete Anton Bruckner an der Fertigstellung seiner neunten Sinfonie. Der Grund für sein äußerst schleppendes Vorankommen waren unter anderem große Kompositionsaufträge sowie die Überarbeitungen von vier seiner vorherigen Sinfonien. Insgesamt beendete er nach sieben Jahren die Arbeit an den ersten drei Sätzen, die letzten zwei Jahre vor seinem Tod war er mit dem Finale beschäftigt, doch Bruckners Gesundheit ließ nach. Überliefert ist, dass er noch kurz vor seinem Tod die Sinfonie „dem lieben Gott“ widmete. Der vierte Satz blieb jedoch unvollendet.
Seit dem Tod des Komponisten am 11. Oktober 1896 richtet sich das Interesse diverser Musiker und Musikwissenschaftler eben diesem als Fragment hinterlassenen vierten Satz. Aussagen seiner Haushälterin Kathi Kachelmayr und seines Sekretärs Anton Meißner zufolge soll Bruckner noch bis zuletzt an der Komposition gearbeitet haben. Forscher gehen sogar davon aus, dass der Satz bereits vollständig vorlag – der erste Teil des Finales gar schon instrumentiert und im zweiten Teil die Streicher schon angelegt waren. Bis heute fehlt jedoch von circa der Hälfte der Noten jede Spur.
Rekonstruktion ausgeschlossen?
Viele Musikwissenschaftler, darunter auch der Australier John A. Phillips gehen mittlerweile davon aus, dass einzelne Notenblätter nach dem Tod Bruckners in die Hände von Privatpersonen gelangten, in deren Nachlässen sie sich bis heute befinden. So tauchten beispielweise in den 1990er-Jahren einige Partiturseiten wieder auf – der größte Teil jedoch blieb verschollen.
Notlösung Te Deum
Noch kurz vor seinem Tod empfahl der bereits von Krankheit gezeichnete Anton Bruckner in einer seiner letzten Vorlesungen an der Wiener Universität im Falle der Nichtvollendung des vierten Satzes, sein 1884 komponiertes „Te Deum“ als Finale zu verwenden. So findet sich auch in dem erhalten gebliebenen Teil des vierten Satzes eine von Bruckner selbst angedeutete Überleitung, die auch bei der Uraufführung am 11. Februar 1903 verwendet wurde.
Heute wird die Sinfonie meistens als dreisätziges Werk aufgeführt, so auch in dem Konzertmitschnitt des Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks aus dem Münchner Gasteig unter der Leitung von Mariss Jansons, der heute Abend bei BR-Klassik gesendet wird.
concerti-Tipp:
BR-Fernsehen
Di. 3.7., 23:45 Uhr
Mariss Jansons dirigiert Bruckners Sinfonie Nr. 9 d-Moll