„Eine brutale Vergewaltigung!“, „Kasperletheater!“, „Der Richard dreht sich im Grabe um!“ – Skandale gab es viele in der Operngeschichte, doch dieser hatte es wirklich in sich. 1976 sollte der 100. Geburtstag der Bayreuther Festspiele mit Wagners monumentalem „Ring des Nibelungen“ groß gefeiert werden. Doch die Inszenierung des Franzosen Patrice Chéreau schockiert und verärgert die damalige Wagner-Fangemeinde aufs Äußerste: Die schimpfend schreienden Stimmen im Publikum sind unüberhörbar, es kommt zu Rangeleien und Schlägereien auf den Rängen, Musiker widersetzten sich der avancierten Interpretation durch den Dirigenten Pierre Boulez und verlassen den Orchestergraben. Zu jenem Zeitpunkt konnte wahrhaftig niemand ahnen, dass hier einer der größten und bedeutendsten Momente in der Rezeptionsgeschichte des wagnerischen Musiktheaters geschaffen wurde.
Ein Blick zurück auf die Geschichte
Aus heutiger Sicht scheint der Aufruhr unvorstellbar, ist doch die politisch-kapitalismuskritische Auslegung des „Rings“ als Allegorie auf das industrielle Zeitalter in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts mehr als harmlos im Vergleich zum heutigen allgemeinen Bühnengeschehen.
In der von Regisseur Eric Schulz produzierten Dokumentation „Der Jahrhundertring 1976“ aus der Reihe „Sternstunden der Musik“ blicken Zeitzeugen sowie auch heutige Kunstschaffende, darunter Sängerin Anna Prohaska, Günther Groissböck oder Regisseur Barrie Kosky, zurück auf das damalige Geschehen auf und jenseits der Bühne.
concerti-Tipp:
Der Jahrhundertring 1976 (Dokumentation)
Sternstunden der Musik
14. November 2021, 17:40 Uhr
arte