Anlässlich seines 100. Geburtstages wird Leonard Bernstein mit unzähligen Konzerten und Würdigungsartikeln geehrt. Vor dem Hintergrund seiner überragenden Leistungen als Musiker, Komponist und Dirigent gerät leicht in Vergessenheit, welch ein Gewaltakt zu vollbringen war, um ein solches Vermächtnis zu hinterlassen. Für ihn, als zweiflerischen Menschen, war nicht nur das schier unmöglich zu bewältigende Pensum eine Belastung, sondern auch die Auseinandersetzung mit sich selbst. Eine Dokumentation, die an diesem Sonntag um 23:55 Uhr auf arte und ab dem Vormittag bereits in der arte-Mediathek zu sehen ist, beleuchtet genau diese Seite seines Lebens.
Leonard Bernstein arbeitet an einer Oper für die Nation
Besonders an einer Aufgabe, die er sich selbst gestellt hatte, drohte er zu zerbrechen: Die Komposition einer Oper, die das Amerika seiner Gegenwart zugleich widerspiegeln und die seit den sechziger Jahren aufgewühlte Gesellschaft einen sollte. Diese innere Auseinandersetzung Bernsteins wird durch Erzählungen seines langjährigen Assistenten John Mauceri und seines letzten Librettisten, Stephen Wadsworth, lebendig vermittelt.
Darüber hinaus werden Bernsteins Kinder – Jamie, Nina und Alexander – zu Wort kommen und das künstlerische Ringen ihres Vaters schildern. Außerdem spricht der renommierte Musikjournalist Alex Ross über Bernsteins kompositorische Leistung in ihrem musikhistorischen Kontext.
Ein Musical zu Watergate
Ein besonderer Reiz der Dokumentation besteht in der Möglichkeit, Bernsteins heute eher unbekannte Kompositionen für Musiktheater zu entdecken, mit denen er das eingangs erwähnte ehrgeizige Ziel verfolgte, eine Oper für die Nation zu schaffen. Denn während das Musical „West Side Story“ seinen Ruhm begründete, sind „A Quiet Place“ und „1600 Pennsylvania Avenue“ in Europa nur Insidern bekannt. Diese beiden Projekte sind Stellungnahmen zum Zeitgeschehen.
Wie Alex Ross aufzeigt, handelt es sich bei letzterem, einem Musical, um einen Kommentar zum Watergate-Skandal und zum Scheitern des „American Dream“. Und in der szenisch konzipierten „Mass“, uraufgeführt 1971, thematisierte Bernstein die Jugendbewegung der sechziger Jahre.
Lenny spricht
Die Dokumentation wird auch insofern die Möglichkeit einer unmittelbaren Begegnung mit Bernstein bieten, als der Jubilar selbst in bisher unveröffentlichtem Material zu Wort kommen wird. Insofern handelt es sich um einen hochkarätigen Auftakt zum umfangreichen Bernstein-Programm, das nun ansteht.
Bernstein dirigiert die Ouvertüre zu „A Quiet Place“:
concerti Tipp:
arte
Leonard Bernstein – Das zerrissene Genie
So. 19.8., 23:55 Uhr