Stradivaris sind die Krönung der Geigenbaukunst. Ihr Klang ist und bleibt unübertroffen. Angeblich. Dass das nicht unbedingt der Fall ist, wurde bereits 2014 in einer Studie bewiesen, in der zehn Topviolinisten klanglich einer hochklassigen neuen Violine den Vorzug gaben. So zumindest das Ergebnis von Claudia Fritz, Akustikerin an der Universität Pierre und Marie Curie in Paris, und Joseph Curtin, seines Zeichens einer der führenden Geigenbauern. Nun hat das Team um die beiden noch einen draufgesetzt und eine neue Studie veröffentlicht, die beweist, dass auch die Zuhörer den Klang neuerer Geigen gegenüber der einer Stradivari vorziehen.
Der erste Zuhörertest fand im Pariser Vorort Vincennes statt. Die Forscher stellten drei Stradivaris drei hochwertige neue Violinen gegenüber. Zuerst spielte ein Geiger fünf Takte aus Tschaikowskys Violinkonzert Opus Nr. 35 auf allen neun möglichen Instrumentenpaarungen, dem ein zweiter Durchgang eines weiteren Geigers folgte, der wiederum eine Kostprobe zum Besten gab – allerdings in geänderter Instrumentenreihenfolge. Beide Musiker trugen dabei speziell angefertigte Schweißerbrillen, damit auch sie die Violinen nicht voneinander unterscheiden konnten und spielten sowohl solo als auch mit Orchester. Direkt nach jeder Paarung wurden die 55 Testzuhörer gefragt, welches Instrument ihrer Meinung nach akustisch besser tragen und den schöneren Klang haben würde. Als die Forscher die Ergebnisse auswerteten, wurde schnell klar, dass den neuen Geigen der Vorzug gegeben wurde.
Glaubensfrage Stradivari
Um sicherzugehen, wurde der Test in New York City wiederholt. Dieses Mal ohne Orchester und mit drei anderen Stradivaris und modernen Geigen. Auch hier kamen die 82 Zuhörer zu dem Ergebnis, dass ihnen der Klang neuerer Violinen besser gefallen würde. Hochklassige neue Geigen klingen also mindestens ebenso gut, wenn nicht sogar besser als die berühmten Instrumente von Antonio Stradivari aus dem 17. und 18. Jahrhundert. Zumindest, wenn es nach der aktuellen Studie geht.
Ob das Ergebnis Auswirkung hat auf künftige Geigergenerationen bleibt abzuwarten. Einige bekennen sich schon jetzt zur modernen Bauart, etwa Christian Tetzlaff, der eine Violine spielt, die noch keine 25 Jahre alt ist. Er selbst sagte einst im concerti-Interview: „Ich glaube, dass Stradivari und Guarneri extrem gute Geigenbauer waren. Aber es gibt Stradivaris, die nicht klingen, und es gibt moderne Instrumente, die sehr gut klingen. Mir ist also vollkommen egal, ob neu oder alt.“