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„Anna Nicole“ am Staatstheater Wiesbaden

Von der fülligen Oberweite zur Fülle des Wohllauts

Die Oper „Anna Nicole“ entblößt das naive Geltungsbedürfnis eines Busenwunders.

vonSören Ingwersen,

Ihre Geschichte gleicht dem Handlungsstrang einer Seifenoper. Und wo Seife ist, da wird es oft auch schlüpfrig. Was man von einem Busenwunder ja auch erwarten darf. Anna Nicole Smith hieß ursprünglich Vickie Lynn Hogan, wuchs in der texanischen Provinz auf und hielt sich als Kellnerin und Stripperin über Wasser. Schon vor ihrer ersten Ehe mit einem Brathähnchen-Verkäufer träumte sie von einer schillernden Karriere als Model und Filmstar. Ihrem großen Vorbild Marilyn Monroe nacheifernd, wurde sie nach einer Brustvergrößerung von einer Modelagentur entdeckt, posierte für Nacktfotos, wurde vom Männermagazin Playboy zum Playmate des Jahres 1993 gewählt.

Ihre Heirat mit dem 63 Jahre älteren Milliardär J. Howard Marshall machte sie erneut zur Zielscheibe der weltweiten Boulevard-Presse. Als der greise Ölmulti ein Jahr später stirbt und ein erbitterter Erbschaftsstreit losbricht, erreicht Anna Nicole Smiths Popularität ihren Höhepunkt. Die Frau, die auf Werbeplakaten ihren Körper, in Talkshows ihre Seele und in mehreren Hollywood-Filmen mit mangelnder Schauspielkunst ihr naives Geltungsbedürfnis entblößte, muss drei Tage nach der Geburt ihres zweiten Kindes miterleben, wie ihr drogenabhängiger Sohn bei einem Besuch im Krankenzimmer seiner Mutter stirbt. Wenige Monate später stirbt auch Anna Nicole Smith mit nur 39 Jahren an einer Überdosis von Medikamenten.

Mark-Anthony Turnage hebt das Leben von Anna Nicole Smith auf die Opernbühne

2011 entdeckte der britische Komponist Mark-Anthony Turnage die texanische Sexikone für die Opernbühne und schuf mit „Anna Nicole“ eine rasante Revue, die den Musical-Song à la Kurt Weill und Leonard Bernstein mit der Opernkoloratur und rockigen Rhythmen versöhnt, zuweilen aber auch mit scharfen Dissonanzen aufwartet. Librettist Richard Thomas lieferte dazu einen Text, der sprachwitzig mit Wortspielen und gereimten Pointen jongliert. Eine Arie über die Regeln des Lapdance oder eine Hymne auf die Körbchengröße stehen auf der erheiternden Seite dieses Spiels mit Lust und Laster, das im zweiten Teil ins Tragische kippt. Am Hessischen Staatstheater inszeniert Bernd Mottl, der in Wiesbaden zuletzt „Die Meistersinger von Nürnberg“ in Szene setzte, „Anna Nicole“ als eine Opern-Show mit Sopranistin Elissa Huber in der Titelpartie.

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