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Opern-Feuilleton

Aufbruch in der Provinz!

Was bringt die Saison 2016/17? Die Regie-Altmeister 
kehren in die Metropolen zurück, die jungen Wilden mischen 
die Stadttheater auf

vonPeter Krause,

Aida oder Ausgrabung? Opernintendanten besitzen eine kollektive Intelligenz. Wenn sie ihre Programme planen, treffen sie nur scheinbar individuelle Entscheidungen – in Wahrheit folgen sie Trends. Was gar nicht zum Nachteil des Publikums sein muss. Beispiel: Die Renaissance der Operette ist eine begeisternde Bereicherung des ansonsten immer enger geschnürten und oftmals bierernsten Kanons der Kassenknüller von Bizet bis Wagner. Oder: Das Wagnis von Uraufführungen demonstriert, dass den Machern des Musiktheaters die Zukunft der Gattung sehr wohl am Herzen liegt. Das Neue schärft das Profil. Wenn die deutschen Opernhäuser jetzt nach der Sommerpause wieder ihre Pforten öffnen, blicken wir gespannt in die Spielpläne der Saison. Wer wagt wieder was?

Immer weniger Uraufführungen in Deutschlands Opernhäusern

Und sind zunächst enttäuscht: Denn die erhoffte Uraufführungs-Kultur findet nicht statt. Weltweit ist die Zahl der neu in Auftrag gegebenen Werke rückläufig. Die rühmlichen Ausnahmen sind da besonders lobenswert, zumal sie alle historische Stoffe im Lichte heutiger Probleme behandeln. Die Berliner Staatsoper bringt ab 30. September Comeback von Oscar Strasnoy heraus. Der in Buenos Aires geborene lustvolle Erneuerer des zeitgenössischen Musiktheaters widmet sich dem Schicksal zweier Schauspieler nach ihren frühen Erfolgen im Dritten Reich. Das Theater Chemnitz demonstriert mit der Uraufführung der Operette Südseetulpen des 1973 geborenen Benjamin Schweitzer, dass der musikalisch eingängige Charme der leichten Muse sich sehr wohl mit zeitgenössischen Errungenschaften verträgt. Und Ludger Vollmer beweist am Theater Freiburg mit dem Auftragswerk Crusades als einem modernen Opernthriller, dass der Missbrauch des Glaubens nicht nur zur Zeit der Kreuzzüge die Welt erschütterte, sondern auch die heutige religiös motivierte Gewalt spiegelt. Nicht minder aktuell ist die neue Arbeit des italienischen Neutöners Giorgio Battistelli, der in Hannover in Lot eine Episode des Alten Testaments im Lichte unserer Zeit befragen wird: Abrahams Neffe steht als gottesfürchtiger Mann auch für das fundamentalistische Festhalten an einer höheren Macht.

Wenig Wagnisse in den Metropolen der Republik

Zumal die Intendanten der großen deutschen Opernhäuser in der Saison 2016/17 in die Defensive gehen. Wenn mit 
 Harry Kupfer der letzte lebende Vertreter des Realistischen Musiktheaters von Walter Felsenstein sowohl in Berlin als auch in München die zentralen Premierenproduktionen verantwortet, darf dies als Zeichen einer neuen Solidität verstanden werden. Am Tag der Deutschen Einheit setzt er Beethovens Fidelio an der Staatsoper Berlin neu in Szene – und reist hernach direkt nach München, um sich des bluttriefenden Opernschockers Lady Macbeth von Mzensk von Schostakowitsch anzunehmen. Die Rückkehr der Altmeister bekräftige die Einladungen von Brigitte Fassbaender, die an der Oper Frankfurt Brittens einzige Operette Paul Bunyan deutet, und jene von Peter Konwitschny, der nicht nur in Nürnberg am 1. Oktober die Saison mit Boris Godunow eröffnet, sondern auch in Augsburg Mozarts Idomeneo neu auflegt.

Handwerk hat goldenen Boden – auch im Musiktheater

Wirkliche Aufbruchsstimmung in Form junger Sichtweisen auf altgediente Werke herrscht indes an den mittleren Häusern der Opernrepublik. In ihnen arbeiten die aufregenden Regisseure der nächsten Generation, die nicht als skandalträchtige Dilettanten aus Schauspiel oder gar Film kommen, sondern sehr wohl ihr Musiktheater-Handwerk an den entsprechenden Studiengängen gelernt haben.

Da erarbeitet eine Eva Maria Höckmayr in Darmstadt Puccinis Tosca (3. Dezember) und in Frankfurt Die Trojaner von Berlioz (19. Februar). Da traut sich Hendrik Müller in Regensburg an den Evergreen Carmen und in Frankfurt an den wunschkonzertsatten Rigoletto (19. März). Da startet Florian Lutz in Halle als regieführender Operndirektor mit Wagners gut abgehangenem Der fliegende Holländer durch. Oder eine Sandra Leupold frischt in Heidelberg den doch so deutschen Freischütz auf – und verspricht wie ihre Kollegen, dass diese Häuser ganz neu in den Fokus des überregionalen Interesses rücken.

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