„Es war eine wunderschöne Zeit, vielleicht die schönste meiner Karriere“, blickt die Koloratursopranistin Csilla Csövari, heute Ensemblemitglied des Staatstheaters Nürnberg, auf ihre Zeit im Studio der Oper Köln zurück. Und schwärmt von der „familiären Atmosphäre“, der großen Hilfsbereitschaft etablierter Kollegen und der einzigartigen Möglichkeit, ein Netzwerk aufzubauen, von dem sie bis heute profitiere. Natürlich sei die Bezahlung nicht üppig gewesen – „Aber man kommt gut damit aus!“ – und sie habe auch sehr viel singen müssen, vor allem in der Kinderoper; doch die vielfältigen Herausforderungen mit dem „jungen, ganz anderen Publikum“ und einem Repertoire mit viel Moderne bis hin zur Jazz-Oper hätten sie eindeutig weitergebracht. Und: Immerhin vier von sechs Sängern ihres „Jahrgangs“ seien heute im Festengagement an einem Opernhaus.
Doch nicht nur der Nachwuchs profitiert von diesem Modell: „Ohne das Opernstudio gäbe es die Kinderoper in dieser umfangreichen Form sicher nicht“, räumt Martina Franck ein, die Künstlerische Betriebsdirektorin des Hauses. Andererseits werde an der Kölner Oper nicht nur finanziell in das älteste Opernstudio der Republik investiert, sondern vor allem eine profunde Ausbildung geboten, die neben dem Rollenstudium, den bis zu 80 (!) Vorstellungen für die jungen Sänger – auch auf der großen Bühne – und regelmäßigen Meisterkursen zudem scheinbar Abseitiges wie Schmink- oder Tanzkurse umfasst.
Nur eine Vorbereitung für die Arbeitslosigkeit?
Eine gute halbe Autostunde rheinaufwärts unterhält die Deutsche Oper am Rhein im Gegensatz zu den Kölner Kollegen nach wie vor ein großes Sängerensemble und bietet Studio-Absolventen daher alle Chancen, fest ans Haus übernommen zu werden – zumal Intendant Christoph Meyer das Ensemble seit seinem Amtsantritt radikal verjüngt hat. Eine der letzten großen Premieren, Donizettis L’Elisir d’Amore, wurde stimmlich von Bogdan Baciu und Ovidiu Purcel dominiert: beide Absolventen des Opernstudios. Auch dessen aktuelle Mitglieder stammen aus ost- und südosteuropäischen Ländern – was Eva Hölter, die persönliche Referentin des Intendanten, mit der Menge der Studenten und der Qualität der Ausbildung dort begründet.
Eben diese schiere Masse der Bewerber irritiert hingegen Franck: „Es wird generell zu wenig gefiltert, zu viele Sänger werden für die Arbeitslosigkeit ausgebildet.“ Scheinen in Köln vor allem Allrounder gefragt, liegt in Düsseldorf das Augen- und Ohrenmerk offensichtlich auf Stimmen, die im italienischen Fach zuhause sind oder sein könnten. Was auch die Ausbildungsinhalte – Italienisch bildet neben Deutsch und Körperarbeit einen Schwerpunkt – wie die Arienauswahl im ersten Meisterkurskonzert belegen. In punkto Gesangstechnik und Interpretationsgeschick hingegen offenbaren sich hier noch gewaltige Unterschiede …
Schonraum für die Jungen – Kraftquelle für die Alten
Am kleineren Theater in Mönchengladbach steht der Umgang mit Mozart im Zentrum: Der Vortrag einer seiner Arien ist Pflicht in den Bewerbungen für das Opernstudio. Kein Wunder, schaut doch Operndirektor Andreas Wendholz vor allem auf die Erfordernisse seines Spielplans und sucht entsprechend lyrische, frische Stimmen. Auch sonst ist in Krefeld und Mönchengladbach die große Opernwelt fern – Deutsch unterrichtet eine pensionierte Lehrerin aus dem Förderverein. Aktuell sind zwei deutsche Sänger, eine Französin und ein Koreaner engagiert, unter denen Bariton Sebastian Seitz als Ausnahmetalent gelten darf: Sein Freddy in My Fair Lady hat einen anstrengungslosen Glanz, der selten zu erleben ist. Die anderen Absolventen können sich im Operetten-Pasticcio Wär nur die Sehnsucht nicht so groß … auf der Studiobühne in durchaus anspruchsvollen Arien und Ensembles profilieren, begleitet und geführt von zwei, vom Publikum spürbar geliebten, energiegeladenen Sopran-Veteraninnen: Schön zu sehen, wie es da richtig knistert zwischen Jung und Alt. So beschreibt Wendholz die Etablierung des Opernstudios denn auch als klassische „Win-Win-Situation“ – obgleich er eine Übernahme ins Ensemble kaum anbieten kann. Dennoch nimmt er eine Begeisterung wahr, die die jungen Sänger in den Betrieb hineintrügen – der wiederum für sie zum Schutzraum werde.
Generell tun die rheinischen Opernstudios also einiges für den Nachwuchs, jedes auf seine Weise. Auswüchse wie zu Alexander Pereiras Zürcher Intendanz, als die Opernstudio-Absolventen gern zur singenden Sponsorenpflege in Autohäusern oder auf privaten Feiern eingesetzt wurden, finden sich im Rheinland nicht. Viel Arbeit ist indes auch hier zu leisten: für die eigene Zukunft und vor allem im Dienst der Opernhäuser, die oft ohne ihren überwiegend fremdfinanzierten Nachwuchs gar nicht mehr spielfähig wären. Dennoch bewerben sich immer mehr junge Sängerinnen und Sänger. Der Traum von der großen Karriere und den hohen Gagen lässt sie das erschütternd niedrige Monatssalär – in der Regel weniger als 1000 Euro – klaglos in Kauf nehmen. Nur wenige, vor allem deutsche Aspiranten schrecken hiervor zurück. „Da kann ich immer nur sagen: Willkommen in der Realität“, meint Franck. „Es handelt sich halt um den Übergang ins Berufsleben.“ Und der bedeutet für den Nachwuchs offenbar vor allem eines: harte Zeiten.