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Opern-Kritik: Hamburgische Staatsoper – Fidelio

C-Dur-Utopie mit Fragezeichen

(Hamburg, 8.2.2014) Der kritisch präzise Blick des Hans Neuenfels auf Beethovens kompliziert heterogene Freiheitsoper überzeugt auch zehn Jahre nach der Premiere noch

vonPeter Krause,

Liebesjubelnd ekstatisch, chorstaatstragend, aufgeklärt sonnenhell lässt Beethoven sein Opernschmerzenskind enden. Da steckt fürwahr viel utopischer Überschuss in diesem Fidelio-Finale. Doch hat dieser damals noch zeitgemäße C-Dur-Furor heute seine Unschuld verloren? Lässt sich der Schluss in der Regie nur mehr als konzertanter Kommentar retten? Hat das Hohe Paar, Leonore und Florestan, nach den Jahren der Trennung überhaupt eine noch Chance?

Hans Neuenfels schaut in seiner zehn Jahre alten, nun in frischer Besetzung wiederaufgenommenen Inszenierung an der Hamburgischen Staatsoper sehr genau und sehr kritisch auf die kompliziert heterogene Freiheitsoper. Dabei nimmt er das Stück erfreulich ernst, zeichnet die Figuren präzise und spannt ein weites Netz an Assoziationen auf, etwa, wenn er in Leonores großer Arie den virilen jungen Revoluzzer Florestan auftreten lässt, der denkbar stark mit dem kranken, gebrochenen Glatzkopf kontrastiert, den Leonore später aus dem Kerker befreien wird.

Es wäre wohl eine Illusion, mit dem ihr entfremdeten Alten einfach an alte Zeiten anknüpfen zu wollen. Viele solcher gescheiten Verweise von der bösen Gegenwart auf eine erinnerte schöne Vergangenheit finden sich in dieser intellektuell und gleichwohl auch imaginativ reichen Regiearbeit. Mithilfe des hoch engagierten Bewegungschores – seinen Doubles der Hauptfiguren, seinen Auftritten des Albtraumhaften und Verdrängten – verschränkt Neuenfels die Zeitebenen und dekoriert nicht nur die Handlung, so geschehen in seinen weniger gelungenen Inszenierungen.

Erfreulich auch, dass Jun Märkl am Pult der frisch und drängend spielenden Philharmoniker das Tempo und den Geist der Inszenierung aufgreift – so beispielsweise, wenn er das glücksüberströmte Duett der sich wiederfindenden Liebenden „O namenlose Freude“ in einem manisch verhetzten Gestus musizieren lässt. Schade nur, dass der Gastdirigent das Orchester dabei nicht auch zur Sängerfreundlichkeit anhält. Mit Ausnahme des heldentenoralen Schwergewichts Stephen Gould als Florestan gehen die Sänger immer wieder in den philharmonischen Sturmwogen unter. Der in Stimme und Gestalt ungewöhnlich jugendliche, mithin nicht wirklich bass-schwarze Rocco des Wilhelm Schwinghammer weiß das Problem durch seine ausgeprägte Sprachbehandlung anzugehen.

Erika Sunnegårdh als szenisch enorm gewiefte Kurzfrist-Einspringerin für die mit Spannung erwartete Leonoren-Debütantin Katja Pieweck verfügt zwar über eine streng-herbe Sopran-Leuchtkraft in der Höhe, die ausreichend füllige Mittellage einer jungendlich dramatischen Heroine fehlt ihr indes. Der beste Sängerdarsteller des Abends ist der Bösewicht. Robert Bork als herrisch wendige Diktatoren-Karikatur Don Pizarro in der Maske des Batman-Joker gibt dem Abend die nie platte Holzschnitt-Schärfe eines Kolportage- und Kasperletheaters, das sich Neuenfels in den besten Momenten seiner Inszenierung zunutze macht.

Hamburgische Staatsoper

Beethoven: Fidelio

 

Ausführende: Jun Märkl (Leitung), Hans Neuenfels (Regie), Jan Buchwald, Robert Bork, Stephen Gould, Erika Sunnegårdh / Katja Pieweck, Wilhelm Schwinghammer, Katerina Tretyakova, Chris Lysack, Chor der Staatsoper Hamburg, Philharmonisches Staatsorchester Hamburg

Weitere Termine der Hamburgischen Staatsoper finden Sie hier.

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