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Opern-Feuilleton: DDR Musicals

Made in DDR

Sie waren schwer en vogue, gerieten aber nach der Wende zu Unrecht in Vergessenheit: Musicals in Ostdeutschland.

vonRoland H. Dippel,

Vergessen oder verdrängt, ostalgisch oder anachronistisch? Dreißig Jahre nach dem Mauerfall erinnern sich nur wenige daran, dass es in der DDR eine überaus lebendige Musical- und Operetten-Kultur gab. Über 200 Musicals, Operetten und Musikalische Lustspiele erlebten ihre Uraufführung. Heute sind die meisten DDR-Titel vergessen – genauso wie die Handvoll westdeutscher Musicals, die sich neben den Importen vom Broadway einige Jahre lang behaupten konnten.

Für die Entwicklung des DDR-eigenen „Heiteren Musiktheaters“ gab es pragmatische, wirtschaftliche und ästhetische Gründe. Trotz starker Rabatte waren die Tantiemen von Westmusicals für die DDR viel zu hoch, um damit den Bedarf ausreichend befriedigen zu können. Einige Produktionen wie „Anatevka (Fiedler auf dem Dach)“ unter Walter Felsenstein an der Komischen Oper Berlin oder „Hello, Dolly!“ mit Gisela May am Metropoltheater sind heute legendär.

Doch schon in den Jahren vor dem Mauerfall 1989 erstarben die Bemühungen um ein konkurrenzfähiges eigenes Musical, das ein höheres Niveau haben sollte als die „kapitalistische Verblödungsindustrie“ (Kurt Hager). Einige DDR-Titel erlangten Kultstatus. Zu diesen gehörten die meisten Titel von Gerd Natschinski, der bis zu seinem Tod 2015 alle Nachwende-Produktionen seines Hauptwerks „Mein Freund Bunbury“ (1964) besucht hatte. Oder „In Frisco ist der Teufel los“ von Guido Masanetz, dem die Musikalische Komödie Leipzig 2015 zum 101. Geburtstag noch eine Aufführung seines Werks bescherte. In der DDR wurde intensiv darüber theoretisiert, wie ein Musical-Repertoire für das eigene Ensemble- und Mehrsparten-System aussehen könnte.

Späte Renaissance des Musicals der DDR?

Als Peter Lund 1998 an der Neuköllner Oper eine freche Variante des in der DDR zwar gerühmten, aber aufgrund des darin kurz vor dem Mauerbau thematisierten Ost-West-Wetteiferns nicht gespielten Übergangswerks „Messeschlager Gisela“ herausbrachte, war die Hoffnung auf die Renaissance des Musicals made in DDR groß. Heute liegt das Aufführungsmaterial unerschlossen in den Depots eines großen Verlags der alten Bundesländer. Trotzdem ist es nicht ganz still um das DDR-Musical: Als hauseigene Musik­theater-Produktion des Theaters Brandenburg spielt man dort seit dem 4. Oktober „Mein Freund Bunbury“.

Identifikationsmagnet Dagmar Frederic singt als Lady Bracknell den Evergreen „Ein bisschen Horror und ein bisschen Sex“. An der Musikalischen Komödie Leipzig lädt Musikdirektor Stefan Klingele am 31. Oktober ein zu einem Themennachmittag über das DDR-Musical. Noch sind also das DDR-Musical und die „Operette Ost“, über die das Zentrum für Populäre Kultur und Musik Freiburg eine Publikation vorbereitet, nicht ganz verloren. Welche Bedeutung das Genre vor 1989 hatte, zeigt der Stellenplan der Musikalischen Komödie im Jahr der Wende: 44 feste Solo-Positionen gibt es heute nicht einmal mehr an ganz großen Opernhäusern wie in München oder Berlin.

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