Im Krieg der Königinnen muss am Ende eine der beiden auf der Strecke bleiben. Der Zickenzwist zwischen Elisabeth I. und Mary Stuart geht – die Historie, Friedrich Schillers Drama und eine Vielzahl von Veroperungen lehren es uns – zugunsten der englischen Queen aus, die ihre schottische Kollegin am bösen Ende aufs Schafott führen lässt. Was Verdi später zum Markenkern seiner Opern machen wird, das Aufeinanderprallen privater Passion und Staatsraison, ist bei Donizetti melodienprall vorgeformt als grandiose Sängerinnen-Oper zweier Primadonnen: der koloraturfeurig Gift und Galle spritzenden Elisabetta und der deutlich innigeren Maria, deren Liebes- und Leidensfähigkeit zumal in der Aria finale des von überbordendem Zierrat befreiten hymnischen Gebets „D’un cor che reca il perdono“ auch die deutlich stärkere Sympathie des Komponisten gehört.
Donizetti degradiert Elisabetta, die politische Nr. 1, gleichsam zur Secondadonna, schenkt ihr jedoch den ersten Auftritt. Carmen Giannattasio nutzt ihn in der heftigst umjubelten Konzertanten Premiere der Deutschen Oper Berlin zu ihrer nachdrücklichen Vorstellung als keifendes Bad Girl des Belcanto. Da geht dramatische Intensität vor vokaler Finesse. Giannattasios Sopran klingt reifer als die Italienerin an Jahren zählt. Die echte Agilität für Donizetti, wie sie eine Gruberova gerade auch in dieser Partie idealtypisch verströmte, fehlt ihr. Giannattasio macht das Manko durch veristische Furien-Spitzheit wett, womit sie Donizettis Abneigung gegenüber dieser kalt berechnenden Potentatin denn doch eine Spur zu deutlich schärft.
Joyce DiDonato ist Königin der Herzen
So war es eigentlich ein Leichtes für Joyce DiDonato, die Maria Stuarda nicht nur zur Primadonna, sondern zur Königin der Herzen werden zu lassen. Doch die Amerikanerin schafft an diesem Abend so viel mehr. Es ist schon großartig: wie sie merklich durch jede Wortbedeutung hindurchgegangen ist und mit absolutem Bewusstsein jeder dramatischen Situation singt, wie sie jeder Nuance der Affekte sensibel nachspürt und kleinste Triller noch als große Ausdrucksmittel adelt, wie sie das An- und Abschwellen von Phrasen nie nur im Dienste der bloßen Schönheit, sondern im höheren Dienst eines Belcanto gestaltet, der die reinste und sublimste Form des Singens darstellt, eines Singens, das eben nie Selbstzweck, sondern Mittel zum tiefen Berührtwerden durch menschliches Empfinden ist.
Ideales Singen mag es kaum geben, Joyce DiDonato, dieser Jahrhundertmezzo, führt freilich vor, wie nah man dem Ideal und der Magie des Gesangs kommen kann. Anders als ihre bedeutende Rollenvorgängerin Agnes Baltsa singt sie diese Partie jenseits aller Grenzen von Sopran- und Mezzofach wirklich mit einer Stimme, mit perfektem Registerausgleich also, dazu mit fantastischer Atemkontrolle und einem natürlichen Charme, der Maria Stuarda als Opernfigur so spannend macht. Mädchenhaftigkeit, Königinnenstolz und Kraft des Verzeihens – eben wirklich die ganze Palette an Farben der Seele legt Joyce DiDonato in ihr Singen, dem man nicht kalte Perfektion, sondern Vollendung als Gefühlswahrheit bescheinigen muss.
Joseph Calleja als Graf Leicester konnte da erstaunlich mithalten. Der bislang jungmännisch helle, leichtgängige, sanft vibrierende Tenor des Maltesers hat in der Mittellage deutlich zugelegt, wodurch auch seine Höhe an Körperlichkeit und Kernigkeit gewonnen hat. Paolo Arrivabeni dirigierte zwar sängerdienlich, wodurch auch der Chor einmal mehr seine Ausnahmequalität demonstrieren konnte, dabei allerdings in der Knalligkeit des Orchesters auch mit einer Al-fresco-Mentalität, die Donizettis Zwischentönen wenig Gehör schenkte.
Deutsche Oper Berlin
Donizetti: Maria Stuarda
Ausführende: Joyce DiDonato, Carmen Giannattasio, Joseph Calleja, Marko Mimica, Davide Luciano, Christina Sidak, Orchester und Chor der Deutschen Oper Berlin, Paolo Arrivabeni (Leitung)
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