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Opern-Feuilleton

Die Heimkehr des Handwerksmeisters

Der international gefragte Opernregisseur Philipp Himmelmann wird Professor in Hamburg. Mit seiner Debütinszenierung bereitet er die Studenten auf den wachsenden Konkurrenzkampf vor

vonAndreas Falentin,

Es ist ein fantastisches Gefühl – ein bisschen so, als käme ich nach Hause“, sagt Philipp Himmelmann. Vor fast 30 Jahren hat er in Hamburg selber sein Regiestudium erfolgreich abgeschlossen. Nach Oberspielleiterstellen in Luzern und Saarbrücken ist er in den letzten 15 Jahren zu einem der gefragtesten Regisseure des klassisch-romantischen Repertoires zwischen Berlin, Dresden und Baden-Baden avanciert – und das, obgleich er kaum Modernes inszeniert. Das sei „eine offene Flanke“, räumt der Regisseur ein, aber ihm werde in dieser Richtung einfach wenig angeboten.

Gut möglich, dass dies an seinem handwerklich-unspektakulären Regiestil liegt. „Es gibt keine Dekonstruktion. Für mich ist es wichtig, eine Geschichte zu erzählen und eine psychologisch nachvollziehbare Entwicklung zu zeigen.“ Himmelmann vermittelt Handlungen und entwickelt Figuren mit außergewöhnlicher Selbstverständlichkeit, legt häufig die Substanz der Stücke frei, rührt aber selten daran – selbst nicht in der extremen Reduktion wie bei seinem seinerzeit hochumstrittenen Idomeneo in Hannover. Er tritt stets hinter die von ihm inszenierten Werke zurück. So nahm die Öffentlichkeit denn auch seine wohl prominenteste Arbeit weniger als eine selten gelungene Inszenierungsleistung auf der so schwierig zu bespielenden Seebühne der Bregenzer Festspiele wahr, sondern als „Die Tosca mit dem Auge“ oder „die Oper aus dem James-Bond-Film“.

 

Vorbereitung auf ein anspruchsvolles Berufsleben

 

Unter diesem Aspekt macht Himmelmanns Engagement für die Hamburger Hochschule für Musik und Theater (HfMT) durchaus Sinn. Denn was will man jungen Regisseuren und Sängern vermitteln, wenn nicht in erster Linie handwerkliche Grundlagen? „Wir haben seit der Wende einen ganz anderen Markt im Opernbereich“, konstatiert der frisch ernannte Professor. „Großen Fortschritten in der Ausbildung steht ein deutlich größerer Konkurrenzkampf gegenüber. Dazu sind die Ansprüche an junge Sänger gestiegen – vor allem durch die Arbeit der Regisseure.“ Er will seine Studenten auf die veränderten Voraussetzungen vorbereiten, indem er ihren „Gestaltungswillen stärkt“, explizit „Fleiß“ einfordert und sie bereits im Studium zu künstlerischer Eigenständigkeit animiert, zu selbständiger intellektueller Auseinandersetzung mit Rollen und Werken wie zu „freiem Umgang mit der eigenen Körperlichkeit. Es gibt keinen Widerspruch zwischen sängerischer Atmung und expressivem Ausdruck!“ Außerdem hält der studierte Sänger, der selber fließend Englisch, Französisch und Italienisch spricht, die perfekte Beherrschung zumindest der Hauptopernsprachen Italienisch und Deutsch für unabdingbar.

 

Die Begleitumstände seiner ersten Regiearbeit für die Hochschule tragen gleich mehrfach den Stempel des Besonderen. Da das Forum der HfMT renoviert wird, weicht man in die „Theaterfabrik am Wiesendamm“ aus, arbeitet überdies zusammen mit den Studiengängen für Kommunikationsdesign und Kostümbild der Hamburger Hochschule für Angewandte Wissenschaften. 

 

Zum Start an der Hochschule eine konservative Operette

 

Warum aber wurde hierfür ausgerechnet Lehárs bekannt konservative Operette Die lustige Witwe ausgewählt? „Wir wollen unsere Absolventen in bestem Licht zeigen“, antwortet Himmelmann – und für dieses Stück gäbe es hervorragende Sänger an der Hochschule. Außerdem sei für die erste Inszenierung im Ausweichquartier bewusst ein populäres Werk ausgewählt worden, um möglichst viele Zuschauer an den neuen Ort im Osten der Stadt zu locken. Hätte es aber nicht gerade unter diesen Produktionsumständen spannend sein können, ein moderneres, progressiveres Stück anzusetzen? „So viel Zeit ist nicht im Studium“, antwortet Himmelmann pragmatisch: Seine Absolventen würden sich später den Opernhäusern mit dem Kernrepertoire präsentieren („Sie kennen ja die Spielpläne …“) – also habe die Hochschule vor allem dafür zu sorgen, dass sie dieses „ganz gut beherrschen“.

 

Der neue Professor geht seine Aufgabe mit viel Enthusiasmus und Sensibilität an und ist sicher der richtige Mann, um Hochschule und Studenten fit zu machen für den sich ständig verändernden Opernbetrieb. Abzuwarten bleibt indes, ob unter seiner Ägide die „jungen, überwältigenden Potenziale“, die er an den Hamburger Hochschulen wahrnimmt, dann auch für neues Leben in der Opernszene sorgen werden. 

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