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Opern-Feuilleton: Ein Rückblick auf das Opernjahr 2024

David und Goliath auf Augenhöhe

Das Opernjahr 2024 geht zu Ende. Da wird es Zeit, Bilanz zu ziehen. Acht fällige Beobachtungen zu Aufsteigern und Aufregern.

vonPeter Krause,

In der freien Wirtschaft ist es Pflicht: Zum Jahresende wird Bilanz gezogen. Aktiva und Passiva, Gewinne und Verluste werden gegenübergestellt. Wichtiger als sprödes Zahlenwerk ist in der Hochkultur der Opernhäuser freilich die Bewertung der künstlerischen Qualität, die sich im Pub­likumszuspruch so sehr spiegeln kann wie im Urteil der Fachmedien, die mit ihrer Expertise konstruktiv kritisch einordnen, wie sich die Häuser von Flensburg bis München entwickeln. Acht Beobachtungen zu Aufsteigern, Absteigern und Aufregern sollen als Schlaglichter das Opernjahr 2024 Revue passieren lassen.

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Erstens: Wie im Fußball, so in der Oper: Die gottgegebene Rangordnung, nach der die Bayern Meister werden, gilt nicht mehr. David und Goliath agieren auf Augenhöhe. Zwar hat die Bayerische Staatsoper jüngst mit Tobias Kratzers Inszenierung von „Das Rheingold“ einen hoffnungsvollen Start einer neuen „Ring“-Tetralogie hingelegt, doch das Thea­ter Dortmund hat die fulminant gewitzte Lesart von Altmeister Peter Konwitschny im Programm, die sich im Mai mit der „Götterdämmerung“ runden und dann bereits als Zyklus zu sehen sein wird. Bayreuth oder München sind im schweren Wagnerfach nicht mehr das Maß aller Dinge.

Zweitens: Die ungebremste Kreativität der mittleren und kleinen Opernhäuser weisen den Weg in die Zukunft der Gattung: So wird in Meiningen, Lübeck, Gelsenkirchen, Halle oder Aachen deutlich: Gewagte Reper­toiremischungen von der Barockoper bis zu Erst- und Uraufführungen sorgen für Neugierde und hohe Akzeptanz.

Drittens: Interimsspielstätten müssen keine Hypothek sein, wenn man sie als Chance begreift, ein neues Publikum zu erreichen. Augsburg, Köln und Coburg, zudem die Komische Oper Berlin beweisen, dass durch die Sanierungsphasen der vorübergehend geschlossenen Traditionshäuser Impulse der Öffnung ausgehen.

Viertens: Ausgrabungen guter Werke dienen nicht der Selbstbefriedigung von Dramaturgen und Intendanten, auch sie locken ein Pub­likum an. Jüngstes Beispiel: die Annaberger Erstaufführung der romantischen Oper „Satanella“ des zu Lebzeiten so erfolgreichen Komponisten Michael William Balfe.

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Fünftens: Treue zahlt sich aus. Zyklen zu wagen und dabei auf gleichbleibende starke Regieteams zu setzen, erweist sich als Erfolgsrezept: Die Richard Strauss-Reihe an der Deutschen Oper Berlin, die Regisseur Tobias Kratzer und GMD Sir Donald Runnicles gemeinsam verantworten, macht sehr viel Lust auf den Abschluss mit „Die Frau ohne Schatten“. Nicht minder erfolgreich die Serie von Strauss-Inszenierungen, die Dmitri Tcherniakov und Kent Nagano an der Staatsoper Hamburg herausbringen und die sich nun mit „Ariadne auf Naxos“ runden wird.

Sechstens: Kalkulierte Inszenierungsskandale dienen der Aufmerksamkeitsökonomie und dem Strohfeuer einiger ausverkaufter Vorstellungen, nachhaltig dürften sie der Oper kaum frische Relevanz verleihen. Der Protest gegen all die nackte Haut, die Choreografin Florentina Holzinger in Schwerin und Stuttgart mit „Sancta“ aufbot, ist eingepreist.

Siebtens: Die Magie großer Dirigenten macht leider immer seltener den Unterschied: Christian Thielemann mit „Die Frau ohne Schatten“ in Dresden oder Kirill Petrenko mit „Elektra“ in Baden-Baden schufen musikalische Ausnahmeereignisse.

Achtens: Wer kämpft um den Aufstieg? Die Oper Frankfurt spielt erneut ganz oben mit; fast alle Premieren am Main sind Volltreffer. Das Theater Bonn verbindet in der einstigen Hauptstadt politische Oper mit rheinischem Witz. An der Staatsoper Hannover macht Intendantin Laura Berman sehr viel richtig – und verlässt dennoch das Haus. An der einst stolzen Hamburger Dammtorstraße allerdings gibt es mehr Pleiten als große Premieren: Da wächst die Vorfreude auf den Amtswechsel zur neuen Saison.

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