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Opern-Feuilleton: Leitungswechsel an Opernhäusern

Das große Stühlerücken

An vielen Opernhäusern wird die Leitungsetage mit Beginn dieser Spielzeit neu besetzt. Politik, Publikum und Presse sind gespannt – und auch hoffnungsvoll.

vonPeter Krause,

Neue Besen kehren gut. Manchmal besser, oftmals auch einfach nur anders. Im Falle all der neu besetzten Intendanzen und Musikalischen Leitungen der deutschen Opernhäuser betrifft das die ästhetische Ausrichtung so sehr wie das Selbstverständnis jener Personen, die über Spielpläne und Strukturen, über sängerische Lebenswege und die Zukunft der über vierhundert Jahre alten Gattung entscheiden. Denn immer noch herrschte in den Leitungsetagen zuletzt ein mitunter aristokratischer Geist, der mit einem modernen Führungsstil im Dienst der Kunst und der Kunstschaffenden wenig zu tun hatte.

In diesem Sinne aufschlussreich ist die Neubesetzung am Hessischen Staatstheater Wiesbaden, wo die Operndramaturgin und Librettistin Dorothea Hartmann und die Schauspiel­dramaturgin und bisherige stellvertretende Intendantin am Deutschen Schauspielhaus Hamburg, Beate Heine, dezidiert als Doppelspitze antreten: „zwei starke Theaterfrauen“ will Kunstministerin Angela Dorn für Wiesbaden gewonnen haben, wo der regieführende Intendant Uwe Eric Laufenberg zuvor in seiner zum Jahresbeginn abrupt beendeten Amtszeit für weithin vernehmbaren Dauerzoff gesorgt hatte. Neben dem kooperativen Leitungsmodell soll nun eine zeitgenössische Handschrift und das Bekenntnis zum Ensembletheater für frischen Wind sorgen. Von Protesten begleitete Star-Engagements wie das von Anna Netrebko dürften eher der Vergangenheit angehören. Neuer GMD wird der Brite Leo McFall. Ligetis Anti-Anti-Oper „Le Grand Macabre“ steht neben Klassikern von Rossini, Wagner und Puccini auf dem zunächst noch nicht revolutionären Premierenprogramm der Saison 2024/25.

Auf sehr bekannte Namen bei den Besetzungen kann man an der Staatsoper Unter den Linden Berlin hingegen kaum verzichten. Die bisherige Chefin der Bregenzer Festspiele, Elisabeth Sobotka, und Wagnerexperte Christian Thielemann kehren in die deutsche Hauptstadt zurück und treten das Erbe des bisherigen musikalischen Übervaters des Hauses an: Daniel Barenboim, der aufgrund seines Gesundheitszustands seinen lebenslangen Vertrag aufgab und in seiner über drei Jahrzehnte andauernden Ära die diversen Intendanten an seiner Seite zu besseren Begrüßungsdirektoren degradiert hatte. Barenboims Nachfolger wird freilich zunächst weniger präsent sein als von seinen Fans erhofft und nur eine Neuproduktion selbst leiten: „Die schweigsame Frau“ von Richard Strauss. Immerhin gleich zwei wichtige Werke, die erst in den letzten Jahren entstanden, wird die Lindenoper nachspielen: György Kurtágs Beckett-Anverwandlung „Fin de partie“ und Bernard ­Foccroulles Mythenüberblendung „Cassandra“. Zur Saisoneröffnung ist, nun ja, die Netrebko in der Premiere von Verdis „Nabucco“ als Abigaille angekündigt.

An Thielemanns bisheriger Wirkungsstätte, der Semperoper Dresden, soll nun Daniele Gatti die Staatskapelle prägen, was er in der beginnenden Saison allerdings nur mit Konzerten tun wird. Nora Schmid, bislang an der Oper Graz, übernimmt die Intendanz und steht für einen behutsamen Aufbruch des Traditionshauses, das wieder mehr in die Stadtgesellschaft hineinwirken soll.

Innerer Reformprozess

Nach seiner überaus glückvollen Zeit am Staatstheater Olden­burg, in dem das exzellente und erstaunlich große hauseigene Sängerensemble selbst das Wagner- und Puccini-Repertoire großteils aus eigenen Reihen bestritt und eine starke Bindung des Bürgertums an „sein“ Theater bewirkte, wird Christian Firmbach nun ins größere und finanziell üppiger ausgestattete Badische Staatstheater Karlsruhe wechseln. Fast vergessen scheinen dort schon jetzt die Krisenzeiten um den autoritären einstigen Generalintendanten Peter Spuhler. Ein innerer Reformprozess ist hier offenbar bereits geschafft. Die Mischung des Programms von Händel über hierzulande wenig bekanntes französisches Repertoire bis zu „Der Rosenkavalier“ stimmt. Zumal mit seinem Richard Strauss kann auch ­Georg Fritzsch glänzen, der dem Haus und dessen potentem Orchester als Generalmusikdirektor erhalten bleibt. Firmbachs freiwerdender Chefsessel in Oldenburg wird Georg Heckel einnehmen, der bislang in Detmold wirkte. Zwar beginnt er seinen Premierenreigen noch mit Carl Maria von Webers „Der Freischütz“, später aber wird dann das Musiktheater des 20. Jahrhunderts dominieren.

Die spektakulärste Veränderung gibt es allerdings nicht in der Oper, sondern im Ballett: Der über ein halbes Jahrhundert an der Elbe herrschende John Neumeier wird seine Intendanz an Demis Volpi abgeben, der zuvor als Ballettdirektor der Deutschen Oper am Rhein wirkte. Sensibel und klug verbindet der Argentinier einen Aufbruch zu neuen stilistischen Ufern mit einer Verbeugung vor dem Vermächtnis seines Vorgängers.






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