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Opern-Feuilleton: Musiktheater für junges Publikum

Wissen macht Lust

Rettung und langfristige Legitimation der Oper gelingt nur durch Bemühungen um gute Stücke für junges Publikum. Ein Plädoyer für ein Musiktheater für, von und mit Kindern.

vonPeter Krause,

Sie ist magisch, märchenhaft und mythologisch, im besten Sinne naiv, gern zauberhaft und verzaubernd und fast immer zum Staunen einladend. Und natürlich zum Spielen, getreu der Erkenntnis von Friedrich Schiller: „Der Mensch ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.“ Ist die Kinderoper also die eigentliche Oper? In vielen Fällen fokussiert sie noch heute jene Themen, die von Beginn an die Gattung Oper bestimmten. Und die sind nur selten direkt dem wahren Leben abgelauscht, sondern entstammen der Welt der Fantasie, sie beflügeln die Träume, beginnen mit „Es war einmal“ und enden mit der Utopie „Wie könnte das Leben sein?“

Schon seit dem 17. Jahrhundert zielten die Schul­dramen der Jesuiten auf ein junges Publikum, die Uraufführung der ersten englischen Oper von Rang, Henry Purcells „Dido and Aeneas“, fand 1689 im Londoner Stadtteil Chelsea in einem Mädchenpensionat für adlige junge Damen statt, die in Gesang, Tanz und Instrumentalspiel bestens gebildet waren. Mozarts klassizistisches Singspiel mit religiösem Hintergrund „Apollo et Hyacinthus“ war anno 1767 dezidiert ein Stück von Kindern für Kinder. Die wichtigste Märchenoper deutscher Sprache schuf Engelbert Humperdinck 1893, „Hänsel und Gretel“ füllt heute als Familienstück die Opernhäuser zumal zur Weihnachtszeit. Da werfen die Thea­ter gern jenes Lasso aus, mit dem das Publikum von morgen schon jetzt für eine Kunstform eingefangen und begeistert werden soll, dessen Zielgruppen chronisch überaltert sind.

Wo liegen die Kriterien für Qualität?

Rettung und langfristige Legitimation der Oper kann daher nur durch strategische Bemühungen um gute Stücke für ein junges Publikum gelingen. Und in der Tat sind die Spielpläne fast aller Häuser, vom kleinen Stadttheater bis zur großen Staatsoper, mittlerweile mit Titeln gespickt, die dezidiert Kinder und Jugendliche ansprechen sollen. Die Quantität des Angebots ist enorm. Doch wo liegen die Kriterien für Qualität? Welche Ansätze sind gut gemeint, haben aber keine nachhaltige Wirkung? „Wissen macht Lust“, befand August Everding, der genialische Launemacher für große Kunst einst. Will sagen: Werdende Opernmenschen sollten ernstgenommen werden, die genuine Komplexität der Gattung nicht auf billige Weise reduziert, sondern als Basis zum staunenden Lernen genutzt werden.

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Ob die kinderkompatiblen Kurzversionen langer Opern immer die richtige Wahl sind? Mozarts „Die Zauberflöte“ mit ihrem schwer zu durchschauenden Perspektivwechsel zwischen Gut und Böse bietet zwar den immergrünen Sympathieträger aller Kinder, Papageno, und dessen zum Mitsingen animierende Melodien, aber ein Kinderstück ist sie eigentlich nicht. „Das Liebestränkchen“ nach Donizettis zu Herzen gehender Buffa mag demnächst in Darmstadt die bessere Wahl sein, vielleicht auch „Armide oder Schwein gehabt!“ nach Glucks Zauberoper in Nürnberg. Glücklicher wird man meist aber mit genuin für Kinder konzipierten Opern, zu denen Violeta Dinescus „Der 35. Mai“ gehört.

Nicht nur Darsteller, sondern auch Schöpfer

Der Königsweg freilich scheint dort zu liegen, wo Musiktheater für, von und mit Kindern aus der Taufe gehoben wird, wo also das unbändige schöpferische Potenzial des spielenden Menschen zu Kunst mutiert. Die Uraufführung „Immmermeeehr“ von Gordon Kampe an der Deutschen Oper Berlin geht diesen Weg. Die Hauptrollen übernimmt der Kinderchor des Hauses. Die Themen des Stücks entstanden in einem partizipativen Prozess: Aus ihrer individuellen Perspektive schrieben die Kinder kurze Szenen über eigene Sorgen und Nöte und machten sich zugleich gemeinsam Gedanken über mögliche Lösungen.






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