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Feuilleton: Regie-Teams

Mehrsprachigkeit des Miteinanders

Wie erfolgreiche Regie-Teams den profilneurotischen Provokateuren des Regietheaters den Rang ablaufen.

vonPeter Krause,

Jahrhundertelang erfreuten erst die Kastraten, dann die Primadonnen das hörende Herz der Melomanen. Sängerinnen und Sänger beherrschten die Bühnen mit ihrer Kunst der Koloraturen, des seelentief transportierten Gefühlsausdrucks, der puren Schönheit ihrer Stimmen. Statt der Primadonnen übernahmen dann phasenweise die Pultstars das Sagen. Nach dem Zweiten Weltkrieg pilgerten unsere Groß­eltern nicht nur zur Tosca der Callas, sondern auch zum Tristan eines Herbert von Karajan. Und heute? Das Vorurteil sagt: Profilneurotische Provokateure des Regietheaters projizieren ihre persönlichen Alt­herren­fantasien auf unseren Wagner und Verdi. Und die Opernfreunde erkennen ihre heiß geliebten Werke kaum mehr wieder. Das mag im Einzelfall tatsächlich stimmen. Und mitunter führt die Projektion von Zeitgeist sogar zu erhellenden Neubetrachtungen des sattsam Bekannten.

Mitdenken statt Brüllen: Das Arbeiten in Regie-Teams liegt im Trend

Doch die Wahrheit ist: Die Zeit der Einzelkämpfer ist vorbei. Egomane Regisseure, die wut­entbrannt die Probe verlassen, wenn ihre angeblichen Untergebenen nicht spuren – die existieren primär in Anekdoten aus der guten alten Zeit des Regietheaters. „Ich kann so nicht arbeiten“ zu brüllen, wirkt heute noch lächerlicher, als es immer schon war. Denn der Trend ist ein ganz anderer. Längst begreifen sich Regisseure als Partner von gleichberechtigten Mitgliedern eines Teams, zu dem Bühnen- und Kostümbildner ebenso selbstverständlich gehören wie Sängerinnen und Sänger, die mitdenken, eine Meinung haben und diese auch vertreten.

Szenenbild aus "Salome"
Am Theater und Philharmonie Essen inszenierten Regisseurin Mariame Clément und Ausstatterin Julia Hansen Richard Strauss‘ „Salome“ © Martin Kaufhold

Regiekonzepte entwickelt man gemeinsam, Dramaturgen erforschen dazu fundiert die Kontexte der Werk­entstehung und Rezeption, fungieren als Korrektiv, wenn der Regisseur sich in den Proben mal vom gemeinsam eingeschlagenen Interpre­tationspfad zu entfernen droht. Dirigenten sind längst keine die Musik über alles stellende Nein-Sager mehr, die Sopran und Tenor vorne an der Rampe stehen haben wollen, nur damit sie den Maestro besser sehen können.

Gesamtkunstwerk geht nur gemeinsam

Die bedeutenden Macher des Musiktheaters zeichnen sich durch eine sensible Mehrsprachigkeit des Miteinanders aus. Sie spüren und wissen, wie die anderen ticken, sie kennen und schätzen das Metier der Teammitglieder, ohne deren Expertise sie nur zu halbgaren Ergebnissen kommen könnten. Gesamtkunstwerk geht nur gemeinsam. Zahlreich sind die Beispiele gut funktionierender Regieteams, die mitunter auch längst im Namen-Doppelpack genannt werden. Regisseur Jossi Wieler gibt es nur im Verein mit Dramaturg und Co-Regisseur Sergio Morabito. Tobias Kratzer als Regisseur und Rainer Sellmaier als Ausstatter bucht man im Duo.

Szenenbild aus "Blaubart"
Offenbachs „Blaubart“ an der Komischen Oper Berlin, in Szene gesetzt von Regisseur Stefan Herheim und Dramaturg Alexander Meier-Dörzenbach © Iko Freese/drama-berlin

Ähnliches gilt für die französische Regisseurin Mariame Clément und die deutsche Ausstatterin Julia Hansen – sie harmonieren perfekt. Der Norweger Stefan Herheim wiederum würde keine Inszenierung ohne seinen Dramaturgen Alexander Meier-Dörzenbach übernehmen. Regelmäßiges Ergebnis der Zusammenarbeit solcher Regie-Teams sind Inszenierungen, die nicht durch billige Gags verärgern, sondern durchdachte, konsequent ausgearbeitete Lesarten liefern.

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