Sechs Meter Abstand nach vorne, drei Meter zur Seite. Das waren die bis Redaktionsschluss geltenden Coronaregeln für Sänger, die Theater vor nahezu unlösbare Aufgaben stellen. Wie soll das gehen bei einer Opernaufführung, wenn auf der Bühne geliebt, gestritten und mitunter auch gemordet wird? Dazu kommen an die hundert Musiker, die in einem Graben eng beieinandersitzen.
Das Theater Pforzheim will es gleichwohl wagen und startet am 18. September mit Beethovens „Fidelio“ in die neue Spielzeit, freilich mit einem an Coronabedingungen angepassten Regiekonzept. „Wir halten,“ so Pforzheims Intendant Thomas Münstermann, der auch Regie führt, „die Richtlinien des Bundesverbands der Unfallversicherer zum Arbeitsschutz ein – wenn wir sie nicht vorauseilend übertreffen.“ Berührungen sind auf der Bühne zwar tabu, aber nahekommen dürfen sich die Sänger immerhin dann, wenn sie gerade nicht singen.
Käfige als zentrale Bühnenelemente
Zentrale Bühnenelemente, so viel wurde bekannt, werden dabei über hundert Gitterkästen, man könnte auch sagen: Käfige sein. Das hört sich bei einer Oper, die sich um einen im Kerker Gefangenen dreht, nicht unbedingt überraschend an. Doch Münstermann ist daran gelegen, den Bedeutungsraum des Käfigs ins Allgemeinpolitische auszuweiten, was in einer Zeit, in der auch in Europa Menschen wegen ihrer politischen Überzeugungen ins Gefängnis kommen, ein Brisanz versprechender Ansatz ist. Und nicht zuletzt aus dem Grund, dass die Zahl der Zuschauer im Großen Haus auf 130 begrenzt sein wird, hat das Theater auch Aktionen gestartet, um in die Stadt selbst hineinzuwirken. So wird es in Pforzheim Workshops geben, bei denen sich Bürger mit der Frage politischer Gefangenschaft durch die Gestaltung von Puppen auseinandersetzen, die dann Teil der Inszenierung werden.
Unsicher ist, wie die Rolle des Chors – „Fidelio“ ist bekanntermaßen eine Chor-Oper – ausgefüllt wird, denn nach den derzeitigen Coronavorschriften würde der Pforzheimer Opernchor nicht mitwirken können. Sicher ist dagegen, dass die gesprochenen Dialoge gestrichen werden: Er sei sich, so Thomas Münstermann, mit dem neuen Generalmusikdirektor Robin Davis, der im September seine Stelle antritt, einig, dass diese nicht die Qualität von Beethovens Musik besäßen.