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Opern-Kritik: Hamburgische Staatsoper – ALMIRA

Gier nach Freiheit

(Hamburg, 25.5.2014) Händels in Hamburg komponierte Oper: musikalisch beachtlich, aber szenisch belanglos in der Staatsoper

vonSören Ingwersen,

„Viva, viva, Almira!“ Mit chorischem Jubel feiert Händel die Protagonistin seine Oper Almira schon in der ersten Szene. Doch die Freude über ihre eben erlangte Volljährigkeit wird der Prinzessin bald vergehen. Der König hat testamentarisch verfügt: Die Tochter soll einen Sohn ihres ehemaligen Vormunds Consalvo ehelichen. Sie aber liebt Fernando, ihren Diener. Das Ränkespiel um Liebe, Macht und Eifersucht kann beginnen!

Mit ihrem Debüt an der Staatsoper Hamburg geht die niederländische Regisseurin Jetske Mijnssen keine Wagnisse ein. Geliebt und gelitten wird – größtenteils in historischen Kostümen – auf einer stilisierten Barockbühne (Bühne und Kostüm: Ben Baur). Ein Drehboden hält die quadratische Holzkonstruktion in Bewegung, während Tabarco als Amor im weißen Kleid (Sara-Maria Saalmann) und seine beiden Kindergehilfen versuchen, Ordnung in das Gefühlschaos der beteiligten Personen zu bringen. Szenenapplaus gibt es nicht nur für die US-amerikanische Sopranistin Robin Johannsen, die das erste Mal auf der Hamburger Opernbühne steht und in der Titelpartie geradezu aufblüht. Gleichfalls ergreifend verleiht Mélissa Petit in der Rolle der Edilia ihrem Schmerz sanglich Ausdruck, weil ihr geliebter Osman sie sitzen lässt, um nun Almira zu umwerben, dann aber doch zuerst Dienerin Bellante den Hof macht.

Dass gerade in der Schlichtheit große Schönheit liegen kann, beweist Mezzosopranistin Rebecca Jo Loeb mit ihrer Arie „Der Mund spricht zwar gezwungen: Nein“. Mit charismatischem Bariton stattet Viktor Rud seinen Fernando aus, mit wendig-hellem Tenor Manuel Günther seinen Osman, während dessen Nebenbuhler Raymondo schon allein Florian Spiess‘ durchsetzungsfähigen Basses wegen als ernstzunehmender Gegner angesehen werden muss. Die zweite Bass-Partie ist weniger glücklich besetzt. Als Consalvo lässt Wolf Matthias Friedrich stimmliche Kräfte spielen, die leider wenig dynamische Schattierungen erkennen lassen.

Die Gesamtleistung des Sängerensembles bleibt dennoch beachtlich. Einhelligen Beifall gibt es auch für die Philharmoniker, die mit ungebremster Spiellust und Frische bei der Sache sind. Alte-Musik-Experte Alessandro De Marchi dirigiert die Partitur nicht nur mit äußerstem Feingefühl, er hat sie auch noch etwas aufgepeppt: mit der berühmten Rinaldo-Arie „Lascia ch’io pianga“ und zusätzlichem Schlagwerk. Jetske Mijnssens Inszenierung liefert dazu schöne Bilder, aber wenig Ideen, die der Belanglosigkeit der Handlung neue Bedeutungsebenen hinzufügen könnten. Wie Almira, die sich am Ende des dreieinhalbstündigen Abends nach Freiheit dürstend das beengende elisabethanische Kostüm vom Leibe reißt, hätte man sich auch von der Regie mehr Freiheit im Umgang mit dem Stoff gewünscht.

Hamburgische Staatsoper

Händel: Almira

Ausführende: Alessandro De Marchi (Leitung), Jetske Mijnssen (Inszenierung), Ben Baur (Bühne, Kostüm), Robin Johannsen, Mélissa Petit, Rebecca Jo Loeb, Viktor Rud, Manuel Günther, Florian Spiess, Wolf Matthias Friedrich, Philharmoniker Hamburg

Weitere Termine und Infos zur Staatsoper Hamburg finden Sie hier.

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