Georg Friedrich Händels „Tolomeo“ zählt zu seinen eher selten gezeigten Opern. Vielleicht liegt es daran, dass dieses 1728 in London uraufgeführte Werk für ihn ziemlich untypisch ist: Mehr ein Kammerspiel als eine große Barockoper, lediglich fünf Mitwirkende und ein einziger Schauplatz. Gassenhauer, die in jedes Wunschkonzert passen würden, sind nicht dabei. Wer dieses Werk auf den Spielplan setzt, will den Kanon durchbrechen und neue Wege gehen, wie es nun am Theater Lübeck Operndirektor und GMD Stefan Vladar sowie der Regisseur Anthony Pilavachi tun.
Ort der Handlung ist die Insel Zypern als abgeschlossenes Laboratorium, in dem die Emotionen famos hochkochen können. Hübsches Detail nebenbei: Pilavachi, der seit Jahren in Deutschland lebt und arbeitet, wurde auf Zypern geboren. Hierher wurde Tolomeo von seiner Mutter, der legendären ägyptischen Königin Kleopatra, verbannt, weil sie seinen Bruder Alessandro als ihren Nachfolger bevorzugt. Der ist aber gar nicht wirklich scharf auf die Macht, sehnt sich eher nach Liebe. Die wiederum ist Tolomeo in Gestalt seiner Seleuce abhanden gekommen, von der er nicht weiß, wo sie steckt. Und dann sind da noch Araspe, der Herrscher von Zypern, und seine Schwester Elisa. Daraus werden freilich nur zwei klassische Paare entstehen können, eine oder einer muss übrig bleiben. Das ist natürlich eine bewährte wie tragische Konstellation.
„Tolomeo“: Was passiert nach dem Aufwachen?
Alle zusammen bewegen sich „im Halbschatten der Seelen, die – wie bei Platon – als Abbilder von etwas anderem auf den Wänden projiziert erscheinen“, heißt es in der Ankündigung der Lübecker Erstaufführung: Das Leben ist ein Traum, der Traum ein Leben, doch was passiert nach dem Aufwachen? „Eine Parabel des Menschen, inmitten einer Krisensituation, der sich von einem Augenblick zum anderen neu erfindet und dem es gelingt, sich an sich selbst bis zur Auflösung zu berauschen. Man sucht nicht mehr die Erhöhung, sondern den Austausch, die Verwandlung des Selbst“, so Pilavachi. Tolomeo mutet wie ein Seelenverwandter von Shakespeares Hamlet an, der sich auch nie zum Handeln entscheiden kann und zwischen Sein und Nichtsein verliert. Aber er wird dank des chinesischen Countertenors Meili Li bestimmt schöner singen!