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Opern-Kritik: Festival Acht Brücken – Senza Sangue

Im Hier und Jetzt

(Köln, 1.5.2015) Das Festival Acht Brücken wagt ungewöhnliche Formate, inhaltliche Aussagen – und eine charmante Opernuraufführung

vonAndreas Falentin,

„Musik. Politik?“ lautet das Motto des zehntägigen Kölner Festivals, eines der größten für zeitgenössische Musik weltweit. Es wird mit etlichen ungewöhnlichen Veranstaltungsformaten gefüllt, etwa dem 25-Stunden-Marathon „Urbo Kune“, in dem Entstehung, Veränderung und Wirkung von Städten an sich musikalisch thematisiert und vor allem ein intensiver Austausch des Publikums darüber angeregt werden soll. Darüber hinaus hat das Festival elf Kompositionsaufträge für Hymnen für ein nicht existierendes Land vergeben, inspiriert von dem holländischen Komponisten Louis Andriessen, dessen Werke dieses Jahr eine Art roten Faden bilden. Überhaupt geizt Acht Brücken nicht mit Uraufführungen.

Festival-Füllhorn schüttet Uraufführungen aus

Schon der Auftaktabend, ein siebenstündiger Konzertmarathon an verschiedenen Spielorten hielt etwa die Musik für die Ankunft von jedem bereit, eine Komposition von Simon Rummel, die den Hörer geradezu warmherzig blechbläserzentriert im experimentellen Klangraum willkommen heißt. Zu später Stunde wurden dann in der Kunststation St. Peter Werke von den bekannt politischen Komponisten Cornelius Cardew und Luigi Nono aufgeführt, die sich, grandios einstudiert, in den gotischen Kirchenbau geradezu hineinschmiegten. Besonders die Ausschnitte aus Cardews Konfuzius-Meditation The Great Learning wirkten wie eigens für diesen Raum designte Klanginstallationen.

Ein wenig konventioneller ging es dann im offiziellen Eröffnungskonzert in der Philharmonie zu. Das New York Philharmonic Orchestra unter Alan Gilbert präsentierte zunächst Nyx von Esa-Pekka-Salonen als lustvolle Kolorierung einer Ästhetik des Unheimlichen. Auch Bartóks Wunderbarer Mandarin wurde in seiner wilden Dramatik voll ausgekostet, mit unglaublich ausdrucksstarker Holzbläsergruppe. Dieses Stück wurde übrigens nach der Kölner Uraufführung 1926 vom damaligen Bürgermeister Adenauer aus sittlichen Gründen abgesetzt. Womit wir wieder beim Motto wären…

Eötvös liest Bartóks Einakter neu – mit blutfreiem Ende

Nach der Pause schließlich das Hauptereignis: Senza Sangue, ein Operneinakter von Peter Eötvös, gedacht als Hommage an und Gegenstück zu Bartóks Herzog Blaubarts Burg. Das Libretto basiert auf einem Kurzroman von Alessandro Baricco. Die zu Beginn vom Orchester noch gelegentlich zugedeckten Protagonisten sind Mann und Frau, offenbar schon älter, die sich scheinbar zufällig begegnen. Das 50-minütige Stück enthüllt ihre Beziehung, die auf einer etliche Jahre zurück liegenden, schrecklichen Begegnung basiert. Ein blutiges Ende scheint programmiert, aber statt Rache zu nehmen, bietet die Frau an, die Nacht in einem Hotel zu verbringen.

Eötvös hat die Gesangspartien in einem sehr kleinteiligen Parlando gehalten, das immer sehr gute Sänger brauchen wird, um seine Suggestivkraft voll zu entfalten. In Köln singt der kanadische Bariton Russell Braun schlicht, sensibel und ausdrucksstark. Sein Gegenpart ist Anne Sofie von Otter. Natürlich ist ihre Stimme in die Jahre gekommen. Aber ihre musikalische Intelligenz, ihr Umgang mit Sprache, ihre Ausstrahlung, vor allem ihr charakteristisches kühl-weiches Timbre haben nichts von ihrer Faszination verloren. Man möchte sie umarmen, wenn sie ins kleine, feine Happy End einschwenkt.

Die zehnte Oper von Peter Eötvös ist anders als alle ihre Vorgängerinnen

So subtil, so kleinteilig die Gesangspartien gestaltet sind, so dramatisch kommt der Orchesterpart daher. Seelengebirge türmt Eötvös hier auf, schwelgt in fast monströs anmutenden, musikalischen Schwarz-Weiß-Kontrasten, die eigenständig einen Hintergrund konturieren und scheinbar nur dann und wann Bezug nehmen auf den Dialog der Protagonisten. So ist Eötvos‘ zehnte Oper wesentlich anders als alle ihre Vorgängerinnen. Man möchte sehr gerne hören und sehen, wie sie sich auf der Theaterbühne macht.

Acht Brücken. Musik für Köln

Eötvös: Senza Sangue

Alan Gilbert (Leitung), Anne Sofie von Otter, Russell Braun, New York Philharmonic Orchestra

Weitere Infos zum Festival finden Sie hier.

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