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Opern-Kritik: Theater Bonn – Giovanna d‘Arco

Jeanne d’Hollywood

(Bonn, 26.10.2014) Verdis kühnes Frühwerk wird vorzüglich musiziert, den Regie-Debütanten von fettFilm mangelt es an Handwerk

vonAndreas Falentin,

Verdis erste Beschäftigung mit Schillers Dramatik hat es wahrhaft in sich. Die gewaltige Konstellation erscheint hier auf drei Figuren verknappt. Und selbst der entscheidungsschwache König und der geradezu krankhaft bigotte Vater sind im engeren Sinne nur Staffage, Verbildlichung der gewaltigen Konflikte, die in dem Mädchen Giovanna brodeln. Dafür hat Verdi eine Musik geschrieben, die einerseits deutlich der Belcanto-Welt Rossinis und Bellinis verpflichtet ist, andererseits voller waghalsiger Experimente steckt. Da wird das Orchester immer wieder in Gruppen, fast kleine Kammerorchester aufgeteilt, aus denen wieder Solo-Instrumente herausstechen. Eine Art Kriegsmusik-Continuo-Band etwa, die immer wieder auftaucht, wird von der Flöte angeführt, und die höchst ungewöhnlichen Engel- und Dämonenchöre aus dem Off erklingen von Harfe und Schlagwerk grundiert.

Die Personenführung fehlt

Will Humburg und das vorzüglich disponierte Beethoven Orchester modellieren diese Besonderheiten im Theater Bonn wie selbstverständlich heraus, von der beispielhaft filigran und dynamisch musizierten Ouvertüre bis zum seltsam verlöschenden, sich dann noch einmal aufbäumenden Schluss. Auch Momme Hinrichs und Torge Møller haben genau gelesen und hingehört. Allerdings ist das eher zu spüren als zu erleben. Denn es fehlt dem als fettFilm bekannten Duo, das hauptberuflich Videofilme für Operninszenierungen anderer Regisseure produziert, bei der ersten eigenen Regiearbeit offensichtlich noch an handwerklichem Know-how. Das Absurditäts-Potenzial der vielen eklatanten dramaturgischen Brüche wird bestenfalls gestreift, Verdis musikalische Experimente werden nur im Einzelfall, etwa im epischen Chor im Prolog, wirklich lebendig. Es fehlt an Personenführung. Die Chorregie beschränkt sich auf das Allernötigste. Die recht beliebigen Mittelalter-Kostüme von Ute Heiseke tun ein Übriges.

Das Bühnenbild frappiert

Die gleichfalls von fettFilm entworfene Bühnengestaltung dagegen frappiert. Eine Treppenkonstruktion, verlängert durch mobile Portalrahmen, deren letzter, als einziger unverrückbar, eine Projektionsfläche umspannt. Da werden Assoziationen wach an Expressionismus und Bauhaus, erwartet man Abstraktion und/oder Ausdruckswut. Aber die Kollegen von fettFilm überziehen diese Bühne mit ihrem Projektions-Zauberkasten, schaffen so konkrete Spielorte in epischer, an Hollywood-Filme erinnernder Übergröße. Da verwandelt sich eine Kirche blitzschnell in einen Wald, dieser in einen Burghof. Die Handlung wird nicht erzählt oder gar interpretiert, sondern illustriert, phasenweise charmant und sogar poetisch, viel zu oft mit unnötigen gestischen Verdopplungen. Erst im Schlussakt versuchen die Regisseure, angekündigt durch Textprojektionen, einen interpretatorischen Akzent zu setzen. Plötzlich trägt man Kostüme aus dem ersten Weltkrieg, laufen Schwarz-Weiß-Filme von Kriegsereignissen über die Gesichter der Sänger. Der Krieg zerstört die Menschen. Man soll ihn nicht feiern. Das stimmt. Und wir wussten es bereits.

Jacquelyn Wagner triumphiert

So bleibt der Ausdruck der Musik vorbehalten, und hier vor allem Jacquelyn Wagner. Ihre attraktive, leicht wächsern timbrierte Stimme passt genauso zur Titelrolle wie die stattliche, fast athletische Erscheinung. Wagner singt schlank, klingt ernst und unforciert mädchenhaft, überdramatisiert nie, reißt aber momentweise Abgründe auf. Eine grandiose Leistung! George Oniani (König) und Maxim Aniskin (Vater) beeindrucken durch kraftvolle und differenzierte Stimmführung, sind aber – wie auch der Herrenchor – nicht vor Intonationstrübungen gefeit, was in den vielen sensiblen a-cappella-Passagen doch leicht genusshemmend wirkt.

Theater Bonn

Giuseppe Verdi: Giovanna d’Arco

Ausführende: Will Humburg (Leitung), fettFilm (Inszenierung & Bühnenbild), Uta Heiseke (Kostüme), Thomas Roscher (Licht), Volkmar Olbrich (Chor), Jacquelin Wagner, George Oniani, Maxim Aniskin, Christian Georg, Martin Tzonev, Chor des Theaters Bonn, Beethoven Orchester Bonn

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